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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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denn?«
    »Ich schrieb oder studierte.«
    »Man gibt Ihnen also Papier, Federn und Tinte?«
    »Nein«, antwortete der Abbé, »aber ich mache mir das.«
    »Sie machen sich Papier, Federn und Tinte?« rief Dantès.
    »Jawohl; wenn Sie zu mir kommen«, sagte er, »werde ich Ihnen ein ganzes Werk zeigen, das Resultat von Gedanken und Untersuchun-gen meines ganzen Lebens, von dem ich nicht ahnte, daß meine Kerkermeister mir die Muße lassen würden, es in den vier Wänden des Schlosses If niederzuschreiben. Es ist eine Abhandlung über die Möglichkeit einer Gesamtmonarchie in Italien. Es wird einen gro-
    ßen Quartband abgeben.«
    »Und worauf haben Sie das geschrieben?«
    »Auf zwei Hemden; ich habe eine Präparierung erfunden, die die Leinwand fest und glatt wie Pergament macht.«
    »Sie sind also Chemiker?«
    »Ein wenig. Ich habe Lavoisier gekannt und habe mit Cabanis in Verbindung gestanden.«
    »Aber für dieses Werk haben Sie doch geschichtliche Studien be-treiben müssen. Hat man Ihnen denn Bücher gegeben?«
    »Zu Rom hatte ich ungefähr fünftausend Bände in meiner Bibliothek. Durch Lesen und Wiederlesen habe ich entdeckt, daß man mit hundertfünfzig richtig ausgewählten Werken, wenn auch nicht das Ganze des menschlichen Wissens, so doch wenigstens alles hat, was einem Mann zu wissen nützlich ist. Drei Jahre meines Lebens habe ich dazu verwendet, diese hundertfünfzig Bände zu lesen und wieder zu lesen, so daß ich sie fast auswendig weiß. So könnte ich Ihnen die Werke von Th
    ukydides, Xenophon, Plutarch, Livius,
    Tacitus, Dante, Montaigne, Shakespeare, Spinoza, Macchiavelli und Bossuet hersagen. Ich führe Ihnen nur die wichtigsten an.«
    »Sie können also mehrere Sprachen?«
    »Ich spreche fünf lebende Sprachen, deutsch, französisch, italienisch, englisch und spanisch; mit Hilfe des Altgriechischen verstehe ich das Neugriechische, nur spreche ich es schlecht; aber ich studiere es gegenwärtig.«
    »Sie studieren es?«
    »Ja, ich habe mir von den Wörtern, die ich kenne, ein Vokabular gemacht, sie geordnet und kombiniert, so daß sie genügen, um meine Gedanken auszudrücken. Ich weiß ungefähr tausend Wörter; das ist alles, was ich im Notfall brauche, obgleich es in den Wörter-büchern, glaube ich, hunderttausend gibt. Zwar kann ich mit diesem Wortschatz keine langen Reden halten, aber ich kann mich verständlich machen, und das genügt mir.«
    Mehr und mehr staunend, begann Edmund die Fähigkeiten dieses seltsamen Mannes fast übernatürlich zu fi nden. Er fragte weiter:
    »Wenn man Ihnen aber keine Federn gegeben hat, womit haben Sie denn diese umfangreiche Abhandlung geschrieben?«
    »Ich habe sie mir aus den Kopfknorpeln der Weißfi sche, die man uns zuweilen an den Fasttagen gibt, gemacht. Ich sehe auch immer mit großem Vergnügen den Mittwochen, Freitagen und Sonnabenden entgegen, denn diese geben mir Hoff nung, meinen Federvorrat zu vermehren, und meine historischen Arbeiten sind, das gestehe ich, meine angenehmste Beschäftigung. Wenn ich in die Vergangenheit zurückgehe, vergesse ich die Gegenwart.«
    »Aber Tinte?« fragte Dantès. »Wie haben Sie die Tinte hergestellt?«
    »In meiner Zelle hat sich früher ein Kamin befunden, den man jedenfalls einige Zeit vor meiner Ankunft vermauert hat, aber in dem jahrelang Feuer gebrannt hat, denn das ganze Innere ist mit Ruß bedeckt. Ich löse diesen Ruß in einem Teil von dem Wein auf, den ich alle Sonntage bekomme, und erhalte so eine vorzügliche Tinte.
    Bei besonderen Noten und Stellen, die in die Augen fallen sollen, steche ich mich in den Finger und schreibe mit meinem Blut.«
    »Und wann kann ich das alles sehen?« fragte Dantès.
    »Wann Sie wollen«, antwortete Faria.
    »Oh, sofort!« rief der junge Mann.
    »Dann folgen Sie mir.«
    Und der Abbé stieg in den unterirdischen Gang zurück, wo er verschwand. Dantès folgte ihm.
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    Nachdem Dantès in gebückter Haltung, aber doch mit ziemlicher Leichtigkeit den unterirdischen Gang durchschritten hatte, erreichte er das andere Ende des Korridors, der nach der Zelle des Abbés führ-te. Hier verengerte sich der Gang und bot kaum genügend Raum, daß ein Mensch durchzukriechen vermochte. Die Zelle des Abbés war gepfl astert; der Abbé hatte seine Arbeit damit begonnen, daß er in der dunkelsten Ecke eine der Steinplatten ausgehoben hatte.
    Als er aufrecht in der Zelle stand, sah sich der junge Mann aufmerksam um. Auf den ersten Blick bot sie

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