Der Graf von Monte Christo
die Freude war, nicht mehr allein auf der Welt zu sein und endlich nach langen Stunden einsamer Trauer einen Freund wiederzusehen. Auch muß ich sagen, Fernand war ihr nie verhaßt gewesen, nur hatte sie ihn nie geliebt. Ein anderer besaß ihr ganzes Herz; dieser andere aber war abwesend, verschwunden, vielleicht tot. Bei diesem letzten Gedanken brach Mercedes in Schluchzen aus und rang die Hände vor Schmerz; aber der Gedanke, den sie verwarf, wenn er ihr von einem andern zugeflüstert wurde, kehrte jetzt von selbst in ihrem betrübten Geiste ein. Überdies sagte der alte Dantes unablässig zu ihr: Unser Edmond ist tot, denn wenn er nicht tot wäre, käme er zu uns zurück.
Der Greis starb, wie gesagt; hätte er gelebt, so würde Mercedes vielleicht nie die Frau eines andern geworden sein; denn er wäre da gewesen, um ihr ihre Untreue vorzuwerfen. Fernand sah dies ein. Als er daher den Tod des Greises erfuhr, kehrte er zurück. Diesmal war er Leutnant. Bei seiner ersten Reise hatte er Mercedes kein Wort von Liebe gesprochen, bei der zweiten erinnerte er sie an seine heiße Zuneigung. Ein Jahr war inzwischen vergangen; sie forderte noch sechs Monate, um Edmond zu erwarten und zu beweinen.
Das macht im ganzen achtzehn Monate, sagte der Abbé mit bitterem Lächeln. Was kann der angebetetste Geliebte mehr fordern? Dann murmelte er die Worte des englischen Dichters: Schwachheit, dein Name ist Weib.
Sechs Monate nachher, fuhr Caderousse fort, fand die Hochzeit in der Kirche des Accoules statt.
Es war dieselbe Kirche, in der sie Edmond heiraten sollte, murmelte der Abbé, nur war's ein anderer Bräutigam.
Mercedes heiratete also, sagte Caderousse; doch obgleich sie allen Augen ruhig erschien, wurde sie doch ohnmächtig, als sie vor der Reserve vorbeikam, wo achtzehn Monate vorher ihre Verlobung mit dem gefeiert worden war, den sie noch liebte, wenn sie in den Grund ihres Herzens zu sehen wagte. Glücklicher, aber nicht ruhiger, – denn ich sah ihn in jener Zeit, und er fürchtete beständig die Rückkehr Edmonds, – war Fernand sogleich darauf bedacht, seine Frau aus der Gegend zu entfernen und sich selbst zu verbannen; er hatte zugleich zu viele Gefahren zu befürchten und zu viele Erinnerungen zu bekämpfen, wenn er bei den Kataloniern blieb. Acht Tage nach der Hochzeit reisten sie ab.
Sahen Sie Mercedes wieder? fragte der Priester.
Ja, zur Zeit des spanischen Krieges, in Perpignan, wo Fernand sie zurückgelassen hatte; sie beschäftigte sich damals mit der Erziehung ihres Sohnes.
Der Abbé bebte. Ihres Sohnes? sagte er.
Ja, antwortete Caderousse, des kleinen Albert.
Aber um den Sohn zu erziehen, sagte der Abbé, muß sie wohl selbst erst noch eine Ausbildung erhalten haben? Es ist mir, als hätte ich von Edmond gehört, sie sei die Tochter eines einfachen Fischers, schön, aber ungebildet gewesen?
Oh, kannte er denn seine Braut so schlecht? versetzte Caderousse. Mercedes hätte Königin werden können, wenn die Krone nur auf den schönsten und gescheitesten Köpfen getragen werden sollte. Als ihre Verhältnisse besser wurden, lernte sie wohl auch zeichnen, Musik und was weiß ich alles, aber ich glaube, unter uns gesagt, daß sie dies alles nur tat, um sich zu zerstreuen, um zu vergessen, und daß sie nur so viele Dinge in ihren Kopf brachte, um das zu betäuben, was ihr Herz erfüllte. Nun scheint es jetzt, Vermögen und Ehre haben sie ohne Zweifel getröstet. Sie ist reich, sie ist Gräfin, und dennoch ... – Caderousse schwieg.
Was dennoch?
Dennoch bin ich überzeugt, daß sie nicht glücklich ist.
Warum glauben Sie das?
Als ich selbst gar sehr im Elend war, dachte ich, meine ehemaligen Freunde würden mich unterstützen. Ich begab mich zu Danglars, der mich nicht einmal empfing. Ich ging zu Fernand, und dieser ließ mir hundert Franken durch seinen Kammerdiener zustellen.
Also sahen Sie weder den einen noch den andern?
Nein, aber Frau von Morcerf hat mich gesehen. – Während ich hinausging, fiel eine Börse zu meinen Füßen! Sie enthielt fünfundzwanzig Louisd'or. Ich schaute rasch empor und erblickte Mercedes, die den Laden wieder schloß.
Und der Staatsanwalt, Herr von Villefort? fragte der Abbé.
Oh! er war nicht mein Freund gewesen, ich kannte ihn nicht und hatte nichts von ihm zu fordern.
Doch wissen Sie nicht, was aus ihm geworden ist, und welchen Teil er an Edmonds Unglück gehabt hat?
Nein, ich weiß nur, daß er einige Zeit, nachdem er Edmond hatte verhaften lassen, Fräulein von
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