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Der Graf von Monte Christo

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Verbindlichkeiten zu entsprechen, als das Ende des Juli erschien.
    Den Vertreter des Hauses Thomson und French hatte man übrigens nicht mehr in Marseille gesehen. Er war verschwunden, und da er in Marseille nur mit dem Maire, dem Gefängnisinspektor und Herrn Morel verkehrt hatte, so ließ seine Anwesenheit keine andere Spur zurück, als die verschiedenen Erinnerungen, die diese drei Personen von ihm bewahrten. Die Matrosen des Pharao hatten, wie es schien, irgend ein Unterkommen gefunden, denn sie waren ebenfalls verschwunden.
    Von der Unpäßlichkeit, die ihn in Palma zurückgehalten hatte, wieder genesen, kehrte der Kapitän des Pharao, Herr Gaumard, bald nach Marseille zurück. Er zögerte, sich bei Morel zu zeigen, aber dieser erfuhr seine Ankunft und suchte ihn selbst auf. Der würdige Reeder hatte schon durch Penelons Erzählung von dem mutigen Benehmen des Kapitäns während des unglücklichen Ereignisses erfahren, und er suchte nun seinerseits den Seemann zu trösten. Er brachte ihm den Betrag seines Soldes, den der Kapitän sonst nicht zu erheben gewagt hätte.
    Der August verlief in beständig erneuerten Versuchen Morels, seinen alten Kredit wiederzuheben und sich einen neuen zu eröffnen, ohne daß ihm dies gelang. Als aber der 31. kam, öffnete sich gegen alle Voraussicht die Kasse wie gewöhnlich. Cocles erschien hinter dem Gitter, ruhig, wie ein Gerechter, untersuchte mit gewohnter Gewissenhaftigkeit das Papier, das man ihm präsentierte, und bezahlte die Tratten von der ersten bis zur letzten mit gleicher Pünktlichkeit. Man begriff dies durchaus nicht und verschob mit der den Unglückspropheten eigentümlichen Hartnäckigkeit den Bankrott auf das Ende des September.
    Morel war einige Tage in Paris gewesen und hatte versucht, bei seinem ehemaligen Rechnungsführer Danglars ein Anlehen aufzunehmen, doch auch dieses letzte Mittel, zu dem er sich nur schwer entschlossen hatte, schlug fehl. Schwer gedemütigt durch eine abschlägige Antwort, kam er zurück.
    Er stieß bei seiner Ankunft keine Klage aus, brachte keine Anschuldigung vor, umarmte nur weinend seine Frau und seine Tochter, reichte Emanuel freundschaftlich die Hand, ließ Cocles kommen und schloß sich mit diesem in sein Kabinett im zweiten Stock ein.
    »Diesmal sind wir verloren«, sagten die Frauen zu Emanuel, und in einer kurzen Beratung, die sie unter sich pflogen, wurde beschlossen, daß Julie an ihren Bruder, der in Nimes in Garnison lag, schreiben und ihn auffordern sollte, sogleich zu kommen. Die armen Frauen fühlten, daß sie aller ihrer Kräfte bedurften, um den Schlag zu ertragen, der sie bedrohte. Überdies übte Maximilian Morel, obgleich erst zweiundzwanzig Jahre alt, doch bereits einen großen Einfluß auf seinen Vater aus.
    Er war ein energischer, rechtschaffner junger Mann, der die militärische Laufbahn erwählt hatte. Vorzüglich vorbereitet, trat er in die polytechnische Schule ein, die er, zum Unterleutnant im 53sten Linien-Regiment ernannt, wieder verließ. Im Regiment galt Maximilian Morel als strenger, pflichtgetreuer Soldat; man nannte ihn nur den Stoiker.
    Die beiden Frauen täuschten sich nicht über das Mißliche ihrer Lage, denn einen Augenblick nachher, nachdem Herr Morel mit Cocles in sein Kabinett gegangen war, sah Julie den letzteren bleich, zitternd und mit völlig verstörtem Gesichte wieder herauskommen. Sie wollte ihn fragen, als er an ihr vorüberging, doch der brave Mann lief mit einer bei ihm ungewöhnlichen Eile unaufhaltsam die Treppe hinab und rief ihr nur, die Hand zum Himmel erhebend, zu: Oh, mein Fräulein! Welch ein furchtbares Unglück, wer hätte das je gedacht!
    Eine Minute nachher sah ihn Julie, mit ein paar dicken Handlungsbüchern, einem Portefeuille und einem Sacke Geld wieder hinaufgehen. Morel prüfte die Bücher, öffnete das Portefeuille und zählte das Geld. Alle baren Mittel beliefen sich auf 7 bis 8000 Franken, die Einnahmen bis zum 5. auf 4 bis 5000, was also im höchsten Fall einen Aktivstand von 17 000 Franken bildete, womit einer Tratte von 287 500 Franken entsprochen werden sollte. Eine solche Abschlagszahlung anzubieten, war nicht möglich.
    Als jedoch Herr Morel zum Mittagsessen kam, schien er ziemlich ruhig. Diese Ruhe erschreckte die Frauen mehr, als es die tiefste Niedergeschlagenheit hätte tun können. Cocles schien ganz stumpfsinnig; er hielt sich einen Teil des Tages, auf einem Steine sitzend und mit bloßem Kopfe bei dreißig Grad Wärme, im Hofe auf. Emanuel suchte

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