Der Graf von Monte Christo
Hämmerchen auf ein Glöckchen schlagend, das einen scharfen, anhaltenden Ton von sich gab, und der Intendant erschien auf der Schwelle.
Herr Bertuccio, sagte der Graf, erzählten Sie mir nicht, Sie seien in Frankreich gereist?
Ja, Exzellenz, in einigen Teilen Frankreichs.
Sie kennen ohne Zweifel die Gegend von Paris?
Nein, Exzellenz, antwortete der Intendant mit einem Beben, das der Graf als Kenner einer heftigen Unruhe zuschrieb.
Es ist ärgerlich, daß Sie nie die Gegend von Paris besucht haben, sagte er, denn ich will noch heute abend mein neues Gut in Augenschein nehmen, und wenn Sie mich begleitet hätten, würden Sie mir ohne Zweifel nützliche Auskunft gegeben haben.
Nach Auteuil! rief Bertuccio, dessen kupferfarbiges Gesicht plötzlich leichenblaß wurde. Ich nach Auteuil gehen?
Aber was ist denn Erstaunliches daran, daß Sie nach Auteuil gehen sollen? Wenn ich in Auteuil wohnen werde, müssen Sie wohl dahin kommen, da Sie doch zum Haushalt gehören!
Bertuccio neigte das Haupt vor dem gebieterischen Blicke des Herrn und blieb unbeweglich und ohne zu antworten.
Was ist Ihnen denn? Sie lassen mich zum zweitenmale um den Wagen läuten? rief Monte Christo mit dem Tone, in dem Ludwig XIV. das bekannte: Ich habe warten müssen! aussprach.
Bertuccio sprang in das Vorzimmer und schrie mit heiserer Stimme: Die Pferde Seiner Exzellenz! Monte Christo schrieb ein paar Briefe; als er den letzten versiegelte, erschien der Intendant wieder und meldete den Wagen.
Wohl, nehmen Sie Ihren Hut, sagte Monte Christo.
Es gab kein Beispiel, daß man einem Befehle des Grafen widersprochen hätte; der Intendant folgte auch, ohne eine Einwendung zu machen, seinem Herrn und nahm seinen Platz ehrfurchtsvoll auf dem Vordersitz.
Das Haus in Auteuil.
Monte Christo war es nicht entgangen, daß Bertuccio sich bekreuzt und im Wagen ein kurzes Gebet gemurmelt hatte, denn er ließ den Intendanten, dessen Widerwille gegen die Fahrt unverkennbar war, keinen Augenblick aus den Augen.
In zwanzig Minuten war man in Auteuil. Die Unruhe des Intendanten hatte immer mehr zugenommen, und als sie in das Dorf hineinfuhren, betrachtete er mit fieberhafter Aufregung jedes Haus, an dem sie vorüberkamen.
Sie lassen in der Rue de la Fontaine Nr. 30 halten, sagte der Graf, seinen Blick unbarmherzig auf den Intendanten heftend.
Der Schweiß trat Bertuccio aufs Gesicht, aber er gehorchte und rief, sich aus dem Wagen neigend, dem Kutscher zu: Rue de la Fontaine, Nr. 30.
Diese Nummer 30 lag am Ende des Dorfes. Während der Fahrt war es Nacht geworden, der Wagen hielt an, und der Lakai stürzte an den Schlag und öffnete.
Nun! sagte der Graf, Sie steigen nicht aus, Herr Bertuccio, Sie bleiben im Wagen? Aber zum Teufel, was ist Ihnen denn heute?
Bertuccio sprang aus dem Wagen und bot seine Schulter dem Grafen zur Stütze.
Klopfen Sie, sagte dieser, und melden Sie mich an.
Bertuccio klopfte, die Tür öffnete sich, und der Hausmeister erschien.
Was beliebt? fragte er.
Ihr neuer Herr ist hier, sagte der Diener und übergab dem Hausmeister das Schreiben des Notars.
Das Haus ist also verkauft, und der Herr wird es bewohnen? versetzte der Hausmeister.
Ja, mein Freund, sagte der Graf, und ich werde dafür sorgen, daß Sie den Verlust Ihres früheren Herrn nicht zu beklagen haben.
Oh! Herr, ich habe nicht viel zu beklagen, denn wir sahen ihn nur äußerst selten, den Herrn Marquis von Saint-Meran.
Der Marquis von Saint-Meran! versetzte Monte Christo, der Name kommt mir bekannt vor ... Und er schien in seinem Gedächtnis zu suchen.
Ein alter Edelmann, fuhr der Hausmeister fort, ein getreuer Diener der Bourbonen. Er hatte eine einzige Tochter, die an Herrn von Villefort verheiratet war, der Staatsanwalt in Nimes und später in Versailles gewesen ist.
Monte Christo warf einen Blick auf Bertuccio, der fahler aussah, als die Mauer, an die er sich lehnte, um nicht zu fallen.
Ist diese Tochter nicht gestorben? fragte Monte Christo; es ist mir, als hätte ich davon gehört.
Ja, vor einundzwanzig Jahren.
Ich danke, sagte Monte Christo, denn der Intendant kam ihm so niedergeschmettert vor, daß er jetzt nicht weiter fragte. Nehmen Sie eine Wagenlaterne, Bertuccio, und zeigen Sie mir die Zimmer!
Der Intendant gehorchte unverzüglich, aber aus dem Zittern der Hand, welche die Laterne hielt, war leicht zu entnehmen, was ihn dieser Gehorsam kostete. Sie durchschritten ein ziemlich geräumiges Erdgeschoß und einen ersten Stock, bestehend aus einem
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