Der Graf von Monte Christo
Salon, einem Badezimmer und zwei Schlafzimmern. Durch eines von diesen Schlafzimmern gelangte man zu einer Wendeltreppe, die nach außen zu führen schien.
Ah! ein Nebenausgang, sagte der Graf, das ist sehr bequem. Leuchten Sie mir, Herr Bertuccio; gehen Sie voraus, wir wollen sehen, wohin die Treppe führt!
Herr Graf, sie geht in den Garten. – Und woher wissen Sie das? – Das heißt, sie muß wohl dahin führen. – Gut, wir wollen uns überzeugen.
Bertuccio stieß einen Seufzer aus und ging voran. Die Treppe führte wirklich nach dem Garten. An der Ausgangstür blieb Bertuccio stehen.
Vorwärts! sagte der Graf.
Doch Bertuccio war wie betäubt, wie vernichtet. Seine irren Augen suchten ringsumher die Spuren einer furchtbaren Vergangenheit, und er schien mit seinen krampfhaft zusammengepreßten Händen entsetzliche Erinnerungen zurückdrängen zu wollen.
Nun! rief der Graf.
Nein, stammelte Bertuccio, die Laterne hinstellend; nein, Herr Graf, ich gehe nicht weiter, es ist unmöglich!
Was soll das heißen? entgegnete des Grafen gebieterische Stimme.
Sie sehen Wohl, Exzellenz, rief der Intendant, daß dies nicht mit natürlichen Dingen zugeht. Sie wollten ein Haus in der Gegend von Paris kaufen und kauften gerade eins in Auteuil, und das Haus, das Sie kauften, ist gerade Nummer 30 in der Rue de la Fontaine. Oh! warum habe ich Ihnen nicht schon dort alles gesagt, gnädiger Herr; Sie hätten sicherlich nicht von mir verlangt, ich solle mitfahren. Ich hoffte, das Haus des Herrn Grafen würde ein anderes sein! Als ob es nicht noch mehr Häuser in Autenil gäbe als das, wo der Mord vorgefallen ist!
Oh! oh! rief Monte Christo, was für ein scheußliches Wort haben Sie da ausgesprochen! Teufel von einem Menschen! Eingefleischter Korse! Stets Aberglauben oder Geheimnisse! Nehmen Sie die Laterne und lassen Sie uns den Garten besehen, in meiner Gegenwart werden Sie hoffentlich keine Angst haben?
Bertuccio hob die Laterne auf und gehorchte. Als die Tür sich öffnete, wurde ein blasser Himmel sichtbar, an dem der Mond vergebens gegen ein Meer ihn meist verhüllender Wolken kämpfte. Der Intendant wollte sich nach der linken Seite wenden.
Nein, nein, sagte der Graf, wozu den Alleen folgen? Hier ist ein schöner Rasen, gehen wir geradeaus!
Bertuccio wischte den Schweiß von seiner Stirn ab, gehorchte, zielte dabei aber fortwährend nach links. Monte Christo wandte sich im Gegenteil mehr rechts; an einer Baumgruppe blieb er stehen. Der Intendant vermochte es nicht länger auszuhalten und rief: Zurück, Herr! ich bitte, halten Sie sich fern, Sie sind gerade an der Stelle.
Lieber Bertuccio, versetzte der Graf lachend, kommen Sie doch zu sich, wir sind hier in einem, ich kann es nicht leugnen, schlecht unterhaltenen englischen Garten, weiter nichts.
Gnädigster Herr, ich flehe Sie an, bleiben Sie nicht dort!
Ich glaube, Sie werden ein Narr, Bertuccio; wenn dies der Fall ist, so sagen Sie es mir, ich lasse Sie in irgend eine Heilanstalt einsperren, ehe ein Unglück geschieht.
Ach, Exzellenz, sagte Bertuccio, den Kopf schüttelnd und die Hände mit einer Bewegung faltend, die den Grafen zum Lachen gebracht hätte, wenn ihn nicht im Augenblick Gedanken von höherem Interesse gefesselt und äußerst aufmerksam auf jede Äußerung dieses von der Angst gepeinigten Gewissens gemacht hätten; ach! Exzellenz, das Unglück ist geschehen.
Bertuccio, entgegnete der Graf, ich erlaube mir, Ihnen zu bemerken, daß Sie bei Ihren heftigen Gebärden sich die Arme verdrehen und die Augen rollen, wie ein Besessener, aus dessen Leib der Teufel nicht weichen will. Ich habe aber stets wahrgenommen, daß der Teufel mit der größten Hartnäckigkeit am Platze zu bleiben trachtet, wo ein Geheimnis zu Grunde liegt. Ich wußte, daß Sie ein Korse sind, ich wußte auch, daß Sie stets düster waren und eine alte Rache im Herzen trugen, und ließ dies in Italien hingehen, weil dergleichen dort gang und gäbe ist. In Frankreich aber ist man gegen Morde allgemein sehr eingenommen; es gibt Gendarmen, die sich damit beschäftigen, Richter, die verurteilen, und rächende Schafotte.
Bertuccio faltete die Hände, während die Laterne, die er hielt, sein verstörtes Gesicht beleuchtete. Monte Christo schaute ihn eine Minute lang mit demselben Blick an, mit dem er in Rom Andreas Hinrichtung angeschaut hatte, und sprach dann mit einem Tone, bei dem ein neuer Schauer den Leib des armen Intendanten durchlief: Der Abbé Busoni hat also gelogen, als
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