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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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japanischen, die hindostanischen Gesetze sind mir ebenso genau bekannt, wie die französischen.
    In welcher Absicht haben Sie dies alles gelernt? fragte Villefort erstaunt.
    Monte Christo lächelte und sagte: Mein Herr, ich sehe, daß Sie, obgleich Sie im Rufe eines großen Mannes stehen, alles aus dem materiellen, gewöhnlichen Gesichtspunkte der Gesellschaft betrachten, das heißt, aus dem beschränktesten Gesichtspunkte, den der menschliche Geist einnehmen kann.
    Wollen Sie sich näher erklären, mein Herr, sagte Villefort, immer mehr erstaunt; ich verstehe Sie nicht ganz.
    Ich sage, daß Sie, die Augen auf die gesellschaftliche Organisation der Nationen heftend, nur die Federn der Maschine sehen und nicht den erhabenen Werkmeister, der sie in Tätigkeit setzt; ich sage, daß Sie um sich her nur die Titelträger sehen, deren Patente von den Ministern oder vom König unterzeichnet sind, und daß die Menschen, die Gott über die Titelträger, die Minister und die Könige stellte, indem er ihnen eine besondere Sendung gab, Ihrer Kurzsichtigkeit entgehen. Tobias hielt auch den Engel, der ihm das Gesicht zurückgegeben hatte, für einen gewöhnlichen Menschen. Die Nationen hielten Attila, der sie vernichten sollte, für einen Eroberer, wie alle Eroberer, und beide mußten ihre göttlichen Sendungen offenbaren, damit man sie erkannte; der eine mußte sagen: Ich bin der Engel des Herrn, und der andere: Ich bin der Hammer Gottes, ehe ihr wahres Wesen erkannt wurde.
    Also, sagte Villefort, der, immer mehr erstaunt, mit einem Erleuchteten oder mit einem Narren zu sprechen glaubte, also betrachten Sie sich als eines von den außerordentlichen Wesen, von denen Sie soeben sprachen?
    Warum nicht? entgegnete kalt Monte Christo.
    Entschuldigen Sie, versetzte Villefort fast bestürzt, wenn ich nicht wußte, daß ich zu einem Manne kam, dessen Kenntnisse und geistige Fähigkeiten so weit das Gewöhnliche überragen. Bei uns, den unglücklichen verderbten Erzeugnissen der Zivilisation, ist es nicht gebräuchlich, daß Edelleute, wie Sie, die im Besitze eines unermeßlichen Vermögens sind oder wenigstens scheinen, ihre Zeit mit gesellschaftlichen Spekulationen, mit philosophischen Träumen verlieren, die höchstens geeignet sind, die Menschen zu trösten, die das Schicksal von den Gütern der Erde enterbt hat!
    Ei! ei! versetzte der Graf, sind Sie denn zu Ihrer hohen Stellung gelangt, ohne Ausnahmen zuzulassen oder angetroffen zu haben? Üben Sie nie Ihren Blick, der doch der Schärfe und Sicherheit so sehr bedürfte, um mit einem Schlage den zu erkennen, auf den eben dieser Blick gefallen ist? Sollte nicht ein öffentlicher Beamter, der beste Anwender des Gesetzes, der schlaueste Ausleger seiner Dunkelheiten, eine stählerne Sonde zur Prüfung der Herzen sein, ein Probierstein zur Untersuchung des Goldes, das sich in jeder Seele mit mehr oder weniger Legierung findet?
    Mein Herr, Sie setzen mich ganz in Verwirrung; bei meinem Worte, ich habe nie jemand sprechen hören, wie Sie.
    Dies ist der Fall, weil Sie stets in den Kreis der gewöhnlichen Bedingungen gebannt geblieben sind und es nie wagten, sich mit einem Flügelschlage in die höheren Sphären zu erheben, die Gott mit unsichtbaren und ausnahmsweisen Wesen bevölkert hat.
    Ah! rief Villefort lächelnd, ich gestehe, ich möchte es gern wissen, wenn ein solches Wesen mit mir in Berührung kommt.
    Ihr Wunsch ist erfüllt; Sie haben soeben davon Kenntnis erhalten, und ich wiederhole es.
    Also Sie selbst? ...
    Ich bin eines von diesen Ausnahmewesen ... ja, mein Herr, und ich glaube, daß sich bis auf den heutigen Tag noch kein Mensch in einer Stellung befunden hat, die der meinigen ähnlich gewesen wäre. Die Reiche der Könige sind begrenzt, entweder durch Gebirge, oder durch Flüsse, durch die Schranken der Sitte oder Sprache. Mein Reich ist groß wie die Welt, denn ich bin weder Italiener, noch Franzose, noch Hindu, noch Amerikaner, noch Spanier: ich bin Kosmopolit. Kein Land kann sagen, ich gehöre ihm durch die Geburt an. Gott allein weiß, in welchem Lande ich sterben werde. Ich befolge alle Gebräuche, rede alle Sprachen. Nicht wahr, Sie halten mich für einen Franzosen? Denn ich spreche Französisch mit derselben Leichtigkeit und derselben Reinheit, wie Sie. Wohl! Ali, mein Nubier, hält mich für einen Araber; Bertuccio, mein Intendant, für einen Römer und Haydee, meine Sklavin, für einen Griechen. Sie sehen also, da ich keinem Lande angehöre, von keiner Regierung

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