Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
übrig.
    Ja, ja, erwiderte Monte Christo, zum Glück bleibt das Gewissen noch übrig, sonst wären wir sehr unglücklich. Nach jeder etwas kräftigen Handlung rettet uns das Gewissen, denn es liefert uns tausend gute Entschuldigungen, über die wir allein zu Gericht sitzen, und diese Gründe, so vortrefflich sie auch sein mögen, um uns den Schlaf zu gestatten, wären doch vielleicht nicht viel wert, wenn sie uns vor einem Tribunal das Leben retten sollten. So mußte Richard III. vortrefflich von seinem Gewissen bedient sein, nachdem er die Kinder Eduards IV. auf die Seite geschafft hatte. Er konnte sich in der Tat sagen: Diese Kinder eines grausamen und rachsüchtigen Königs hatten alle Laster ihres Vaters geerbt, was ich allein in ihren jugendlichen Neigungen zu erkennen imstande war, diese Kinder hinderten mich, das englische Volk glücklich zu machen, das sie unfehlbar unglücklich gemacht hätten. So wurde Lady Macbeth von ihrem Gewissen bedient, denn sie wollte, was auch Shakespeare gesagt hat, nicht ihrem Gemahle, sondern ihrem Sohne einen Thron geben. Ah! die mütterliche Liebe ist eine große Tugend, eine so mächtige Triebfeder, daß sie gar viele Dinge entschuldigt; Lady Macbeth wäre auch nach dem Tode Duncans ohne ihr Gewissen eine sehr unglückliche Frau gewesen.
    Frau von Villefort nahm mit größter Gier diese furchtbaren Grundsätze, diese schauderhaften Behauptungen in sich auf, die der Graf mit der ihm eigentümlichen naiven Ironie aussprach.
    Nach einem Augenblick des Stillschweigens sagte sie: Wissen Sie, Herr Graf, daß Sie ein furchtbarer Geist sind, und daß Sie die Welt unter einem etwas leichenfarbigen Lichte ansehen? Haben Sie dieses Urteil über die Menschheit gewonnen, indem Sie sie durch Destillierkolben und Retorten betrachteten? Denn Sie hatten recht, Sie sind ein großer Chemiker, und das Elixier, das Sie meinen Sohn nehmen ließen, rief ihn so schnell zum Leben zurück ...
    Oh! trauen Sie ihm nicht, sagte Monte Christo, ein Tropfen von diesem Elixier genügte, um den sterbenden Knaben ins Leben zurückzurufen; aber drei Tropfen hätten das Blut so nach seiner Lunge getrieben, daß sein Herz gar gewaltig geschlagen hätte; sechs hätten ihm den Atem versetzt und eine viel ernstere Ohnmacht verursacht, als die war, in der Sie ihn erblickten, und zehn würden ihn getötet haben. Sie wissen, gnädige Frau, wie rasch ich ihn von den Flaschen entfernte, die er unklugerweise berührte?
    Es ist also ein furchtbares Gift?
    Oh, mein Gott! nein! Räumen wir vor allem das Wort Gift beiseite, denn man bedient sich in der Medizin der stärksten Gifte, die durch die Art, wie man sie anwendet, sehr heilsame Arzneimittel werden.
    Was war es denn?
    Ein geistreiches Präparat von meinem Freunde, dem vortrefflichen Adelmonte, dessen Anwendung er mich gelehrt hat.
    Das muß ein vortreffliches Mittel gegen Krämpfe sein!
    Ausgezeichnet, gnädige Frau, ich mache häufig Gebrauch davon; versteht sich mit aller möglichen Vorsicht, fügte der Graf lachend hinzu.
    Ich glaube es wohl, versetzte Frau von Villefort in demselben Tone. Ich meinesteils, die so sehr zu Ohnmächten geneigt ist, könnte wohl einen Doktor Adelmonte brauchen, der mir Mittel ersänne, daß ich frei atmen und mich über die Gefahr, eines Tags an Erstickung zu sterben, beruhigen könnte. Da jedoch die Sache in Frankreich schwer zu finden ist und Ihr Abbé mir zuliebe wohl nicht geneigt sein wird, die Reise nach Paris zu machen, so halte ich mich an die krampfstillenden Mittel des Herrn Blanche; auch Minze und Hoffmannsche Tropfen spielen eine große Rolle bei mir. Sehen Sie die Pastillen, die ich mir besonders machen lasse, sind von doppelter Dosis.
    Monte Christo eröffnete die Schildpattbüchse, die ihm die junge Frau reichte, und zog den Geruch der Pastillen als ein würdiger Kenner dieses Präparates ein.
    Sie sind ausgezeichnet, sagte er, aber sie müssen verschluckt werden, wozu die ohnmächtige Person oft nicht mehr imstande ist. Mein Spezifikum ist mir lieber.
    Nach der Wirkung, die ich davon gesehen habe, würde ich es gewiß auch vorziehen, doch es ist ohne Zweifel ein Geheimnis, und ich bin nicht unbescheiden genug, Sie darum zu bitten.
    Aber ich, gnädige Frau, sagte Monte Christo, gestatte mir, es Ihnen anzubieten.
    Oh, mein Herr ...
    Nur erinnern Sie sich, daß eine kleine Dosis ein Heilmittel, eine große Gift ist. Ein Tropfen bringt wieder zum Leben, fünf oder sechs müßten unfehlbar töten, und zwar auf eine um so

Weitere Kostenlose Bücher