Der Graf von Monte Christo
Christo lächelnd, und das ist alles ein Erzeugnis der Einbildungskraft; denn warum sollte man sich nicht ebensogut dieses Zimmer als ein ehrliches, gutes Zimmer einer biederen Hausfrau vorstellen, dieses Bett mit seinen purpurroten Vorhängen als ein von der fruchtbaren Göttin Lucina besuchtes Lager, und diese geheimnisvolle Treppe als den Gang, durch den sacht, und um den erquickenden Schlaf der Wöchnerin nicht zu stören, der Arzt geht, oder die Amme, oder der Vater, das schlummernde Kind auf dem Arme ...?
Diesmal stieß Frau Danglars, statt sich zu beruhigen, einen Seufzer aus und fiel in Ohnmacht.
Frau Danglars befindet sich unwohl, stammelte Villefort; man sollte sie vielleicht in ihren Wagen bringen.
Oh, mein Gott! rief Monte Christo, ich habe meinen Flacon vergessen.
Hier ist der meinige, sagte Frau von Villefort und reichte Monte Christo einen Flacon voll eines roten Saftes, dem ähnlich, dessen wohltätige Wirkung der Graf an Eduard versucht hatte.
Ah! sagte Monte Christo, während er das Fläschchen aus Frau von Villeforts Händen nahm.
Ja, flüsterte ihm diese zu, ich habe es nach Ihren Angaben versucht.
Und es ist Ihnen gelungen?
Ich glaube.
Man hatte Frau Danglars in das Nebenzimmer gebracht. Monte Christo ließ einen Tropfen von dem roten Safte auf ihre Lippen fallen, und sie kam zu sich.
Oh! welch ein gräßlicher Traum! rief sie.
Villefort drückte ihr kräftig die Hand, um ihr zu verstehen zu geben, sie hätte nicht geträumt.
Man suchte Herrn Danglars; Monte Christo schien in Verzweiflung; er nahm Frau Danglars am Arm und führte sie in den Garten, wo man Herrn Danglars fand, zwischen den Herren Cavalcanti Vater und Sohn Kaffee schlürfend.
Habe ich Sie wirklich erschreckt? fragte Monte Christo.
Nein; aber Sie wissen, die Dinge bringen Eindrücke auf uns hervor, je nach der Stimmung, in der wir uns befinden.
Villefort zwang sich zu lachen. Und dann begreifen Sie, sagte er, es genügt eine Voraussetzung, eine Chimäre ...
Nun wohl, sagte Monte Christo, Sie mögen nur glauben oder nicht, ich habe die feste Überzeugung, daß ein Verbrechen in diesem Hause begangen worden ist.
Nehmen Sie sich in acht, entgegnete Frau von Villefort, wir haben einen Staatsanwalt hier.
Meiner Treu, rief Monte Christo, da sich dies gerade so trifft, so werde ich es benutzen, um meine Angabe zu machen.
Ihre Angabe? fragte Villefort.
Ja, und zwar in Gegenwart von Zeugen.
Alles dies ist sehr interessant, bemerkte Debray, und wenn wirklich ein Verbrechen vorliegt, so werden wir vortrefflich verdauen.
Es liegt ein Verbrechen vor, sagte Monte Christo. Kommen Sie hierher, meine Herren, kommen Sie, Herr von Villefort; damit die Angabe gültig ist, muß sie bei der zuständigen Behörde gemacht werden. Monte Christo nahm Villefort am Arme, und während er zugleich Frau Danglars' Arm unter den seinigen drückte, zog er den Staatsanwalt bis unter die Platane, wo der Schatten am stärksten war. Die andern Gäste folgten insgesamt.
Sehen Sie, sagte Monte Christo, hier, gerade auf dieser Stelle – und er stieß mit dem Fuße auf die Erde – hier ließ ich, um die alten Bäume durch andere zu ersetzen, graben und Erde auslegen; bei dem Graben entdeckten meine Arbeiter ein Kistchen, oder vielmehr die eisernen Bande eines Kistchens, unter denen das Skelett eines neugeborenen Kindes lag. Das ist, denke ich, keine Sinnestäuschung?
Monte Christo fühlte, wie Frau Danglars' Arm erstarrte und Villeforts Hand zitterte.
Ein neugeborenes Kind, wiederholte Debray; Teufel! die Sache wird ernst, wie mir scheint.
Oh! wer kann sagen, daß es ein Verbrechen ist? versetzte Villefort mit einer letzten Anstrengung.
Wie? Ein Kind in einem Garten lebendig begraben und kein Verbrechen? rief Monte Christo. Wie nennen Sie denn diese Handlung, Herr Staatsanwalt?
Aber wer sagt denn, es sei lebendig begraben worden?
Warum es hier begraben, wenn es tot war? Dieser Garten ist nie ein Friedhof gewesen.
Was widerfährt den Kindesmördern in diesem Lande? fragte naiv der Major Cavalcanti.
Mein Gott, man schneidet ihnen ganz einfach, den Hals ab, antwortete Danglars.
Ah! man schneidet ihnen den Hals ab, rief Cavalcanti.
Ich glaube ... nicht wahr, Herr von Villefort? fragte Monte Christo.
Ja, Herr Graf, antwortete dieser mit einem Ausdrucke, der nichts Menschliches mehr hatte.
Monte Christo sah, daß die beiden Personen, für welche er die Szene vorbereitet hatte, nicht mehr ertragen konnten, und sagte, da er die Sache
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