Der Graf von Monte Christo
in meiner Ruhe?
Ei, mein Gott! ärgere dich nicht, Kleiner; du mußt doch wissen, was das Unglück bedeutet; das Unglück, sage ich dir, macht eifersüchtig. Ich glaubte, du liefest in Piemont und Toskana umher, genötigt, den Facchino oder Cicerone zu spielen; ich beklagte dich vom Grunde meines Herzens, wie ich mein Kind beklagen würde. Du weißt, daß ich dich stets mein Kind genannt habe.
Weiter! Weiter!
Und ich sehe dich plötzlich durch das Tor des Bons Hommes, mit einem Reitknecht, mit einem Tilbury und mit funkelneuen Kleidern fahren. Ah! Du hast also eine Goldmine entdeckt oder eine Stelle als Wechselagent gekauft?
Sie sind somit, wie Sie gestehen, eifersüchtig?
Nein, ich bin zufrieden, so zufrieden, daß ich dir meine Komplimente machen wollte. Kleiner; da ich jedoch nicht gut gekleidet war, nahm ich meine Vorsichtsmaßregeln, um dich nicht zu kompromittieren.
Schöne Vorsichtsmaßregeln, Sie reden mich in Gegenwart meines Bedienten an.
Ei, was willst du denn, mein Kind? Ich rede dich an, wo ich deiner habhaft werden kann. Du hast ein sehr lebhaftes Pferd, du bist von Natur schlüpfrig wie ein Aal; verfehlte ich dich heute abend, so lief ich Gefahr, dich nie mehr zu erwischen.
Sie sehen wohl, daß ich mich nicht verberge.
Du bist sehr glücklich, und ich wünschte dasselbe von mir sagen zu können; ich aber verberge mich. Zwar fürchtete ich, du würdest mich nicht erkennen; doch du hast mich erkannt, fügte Caderousse mit seinem schlimmen Lächeln hinzu; du bist sehr artig, mein Junge.
Was brauchen Sie? versetzte Andrea.
Du duzest mich nicht mehr, und das ist schlimm von einem alten Kameraden; Benedetto, nimm dich in acht, du wirst mich anspruchsvoll machen.
Bei dieser Drohung sank der Zorn des jungen Mannes; der Wind des Zwanges wehte ihn nieder. Er ließ sein Pferd wieder im Trab gehen und sagte: Es ist von dir selbst schlimm, Caderousse, daß du dich so gegen einen alten Kameraden benimmst, wie du mich soeben nanntest:; du bist ein Marseiller, ich bin ...
Du weißt also nun, was du bist?
Nein, ich wurde in Korsika aufgezogen; du bist alt und halsstarrig, ich bin jung und starrköpfig. Unter Leuten, wie wir sind, tut eine Drohung nicht gut, und alles muß sich auf gütliche Weise abmachen. Ist es mein Fehler, wenn das Glück, das dir noch den Rücken zukehrt, mir eine freundliche Miene zeigt?
Das Glück ist dir also freundlich? Es ist kein entlehnter Reitknecht, es ist kein entlehntes Tilbury, es sind keine entlehnten Kleider, was ich da sehe? Gut, desto besser! sagte Caderousse, in dessen Augen Begierde und Lüsternheit glänzten.
Oh! Du siehst es wohl und weißt es wohl, da du mich anredest, sagte Andrea, immer lebhafter werdend. Hätte ich ein Taschentuch, wie du, um meinen Kopf, trüge ich einen fettigen Rock auf den Schultern und durchlöcherte Schuhe an den Füßen, so würdest du mich nicht kennen.
Du täuschest dich, du hast unrecht; nun, da ich dich wiedergefunden, hindert mich nichts gekleidet zu sein, wie ein anderer, denn ich weiß, daß du ein gutes Herz hast. Besitzest du zwei Röcke, so wirst du mir wohl einen davon geben; ich gab dir auch eine Portion Suppe und Bohnen, als dich hungerte.
Das ist wahr, bestätigte Andrea.
Welch einen Appetit hattest du! Hast du immer noch einen so guten Appetit?
Ja wohl, sagte Andrea lachend.
Du mußt vortrefflich bei dem Fürsten gespeist haben, von dem du kommst.
Es ist kein Fürst, sondern nur ein Graf.
Ein Graf, und zwar ein reicher, nicht wahr?
Ja, doch traue ich ihm nicht, er ist ein Herr, der nicht ganz bequem aussieht.
Mein Gott, sei nur unbesorgt! Man hat keine Absichten auf deinen Grafen und überläßt dir ihn ganz allein. Doch, fügte Caderousse mit dem schlimmen Lächeln hinzu, das schon einmal seine Lippen gestreift hatte, doch du begreifst, du mußt etwas dafür geben.
Sprich, wieviel brauchst du?
Ich glaube, mit 100 Franken monatlich könnte ich leben ...
Mit hundert Franken?
Allerdings schlecht, wie du ebenfalls begreifst!
Hier sind zweihundert, sagte Andrea. Und er legte in Caderousses Hand zehn Louisd'or.
Gut, sagte Caderousse.
Finde dich immer am Ersten des Monats beim Hausmeister ein, und du wirst ebensoviel finden.
Du demütigst mich abermals dadurch, daß du mich mit Bedientenvolk in Berührung bringst; nein, siehst du, ich will nur mit dir zu tun haben.
Es sei, frage nach mir, und am Ersten jeden Monats erhältst du deine Rente, wenigstens solange ich die meinige erhalte.
Schön, schön! ich
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