Der Graf von Monte Christo
suchte. Demzufolge ging dieser Blick ins Leere und verfehlte völlig seine Wirkung.
Herr Lucien, sagte die Baronin, ich erkläre Ihnen, daß ich nicht die geringste Lust habe zu schlafen, ich muß Ihnen tausend Dinge erzählen, und Sie werden die Nacht damit zubringen, mich anzuhören, und sollten Sie stehend schlafen.
Zu Ihren Befehlen, gnädige Frau, antwortete phlegmatisch Lucien.
Mein lieber Herr Debray, sagte der Bankier, bringen Sie sich nicht damit um, daß Sie stundenlang Frau Danglars' Torheiten anhören, denn Sie können sie ebensogut noch morgen vernehmen; doch dieser Abend gehört mir, ich muß mir ihn vorbehalten und mit Ihrer gütigen Erlaubnis der Besprechung ernster Interesse mit meiner Frau widmen.
Diesmal war der Schlag so unmittelbar, daß er Lucien und die Baronin betäubte; beide befragten sich mit den Augen, als wollte das eine bei dem andern eine Hilfe gegen den Angriff suchen; aber die unwiderstehliche Gewalt des Herrn vom Hause siegte, und die Macht blieb dem Gatten.
Glauben Sie indessen nicht, daß ich Sie fortjage, mein lieber Debray, fügte Danglars hinzu, nein, durchaus nicht; infolge eines unvorhergesehenen Umstandes muß ich noch heute eine Unterredung mit der Baronin wünschen; dies kommt so selten vor, daß man mir deshalb nicht grollen darf.
Debray stammelte ein paar Worte und verabschiedete sich.
Es ist unbegreiflich, sagte er, als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wie leicht diese Ehemänner, die wir so lächerlich finden, den Vorteil über uns erringen!
Als Lucien weggegangen war, nahm Danglars seinen Platz auf dem Sofa ein, schloß das offen gebliebene Buch und fuhr fort, in einer, wie seine Frau meinte, furchtbar anmaßenden Haltung mit dem Hunde zu spielen. Da jedoch der Hund keine Sympathie für ihn hatte und ihn beißen wollte, so faßte er ihn am Genick und schleuderte ihn an das andere Ende des Zimmers auf eine Chaiselongue.
Das Tier stieß einen Schrei aus; doch am Orte seiner Bestimmung angelangt, kauerte es sich hinter ein Kissen und verhielt sich, erstaunt über diese ungewohnte Behandlung, stumm und regungslos.
Wissen Sie, Herr Danglars, sagte die Baronin, ohne eine Miene zu verziehen, wissen Sie, daß Sie Fortschritte machen? Gewöhnlich waren Sie nur grob, heute sind Sie roh und unverschämt.
Dies kommt davon, daß ich heute abend in einer schlimmeren Laune bin, als gewöhnlich.
Herminie schaute den Bankier mit der größten Verachtung an. Sonst brachten solche Blicke den stolzen Bankier außer sich; doch an diesem Abend schien er kaum darauf zu achten.
Was geht mich Ihre schlimme Laune an? entgegnete die Baronin, gereizt durch die Unempfindlichkeit ihres Gatten; was habe ich mich darum zu bekümmern? Schließen Sie Ihre schlechten Launen bei sich ein, oder verweisen Sie sie in Ihre Büros, und da Sie Kommis haben, die Sie bezahlen, so lassen Sie an denen Ihre Launen aus.
Nein, versetzte Danglars, Ihre Ratschläge sind verkehrt, und ich werde sie nicht befolgen. Meine Kommis sind ehrliche Leute, die mir mein Vermögen verdienen und die ich weit unter ihrem Werte bezahle; ich werde mich also nicht gegen sie erzürnen. In Zorn bringen mich die, welche meine Mittagsmahle verzehren, meine Pferde zu Tode hetzen und meine Kasse zu Grunde richten.
Und wer sind denn die, welche Ihre Kasse zu Grunde richten? Ich bitte Sie, erklären Sie sich deutlicher.
Oh! seien Sie unbesorgt; spreche ich in Rätseln, so gedenke ich Sie doch nicht lange nach dem Schlüssel suchen zu lassen, versetzte Danglars. Es sind die, welche in einer Stunde 700 000 Franken daraus ziehen.
Ich verstehe Sie nicht, entgegnete die Baronin, die zugleich die Aufregung ihrer Stimme und die Röte ihres Gesichtes zu verbergen suchte.
Sie verstehen mich im Gegenteil sehr gut, versetzte Danglars; doch wenn Sie in Ihrer Verstellung verharren, so werde ich Ihnen sagen, daß ich 700 000 Franken an den spanischen Papieren verliere.
Ah! was höre ich! rief die Baronin hohnlächelnd; und mich machen Sie verantwortlich für diesen Verlust? Ist es meine Schuld, daß Sie 700 000 Franken verloren haben?
In jedem Falle ist es nicht die meinige.
Mein Herr, ich habe Ihnen ein für allemal gesagt, Sie sollen nicht von Kassenangelegenheiten mit mir sprechen, erwiderte spitzig die Baronin; es ist dies eine Sprache, die ich weder bei meinen Eltern noch bei meinem ersten Manne gelernt habe.
Das glaube ich bei Gott wohl, sagte Danglars, weder die einen noch der andere besaßen einen Sou.
Ein Grund
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