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Der Graf von Monte Christo

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Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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zweifellos nach Hause zurück; nicht so Debray, denn er ritt im scharfen Trab nach der Rue de la Michodière zu und kam vor Herrn Danglars' Tür gerade in dem Augenblick an, als der Wagen des Herrn von Villefort, nachdem er diesen und seine Frau im Faubourg Saint-Honoré abgesetzt hatte, anhielt, um die Baronin nach Hause zu bringen.
    Als ein im Hause bekannter Mann ritt Debray zuerst in den Hof, warf den Zügel einem Bedienten zu und kehrte dann an den Wagenschlag zurück, empfing Frau Danglars und bot ihr den Arm, um sie in ihre Gemächer zu führen. Sobald das Tor geschlossen war und die Baronin und Debray sich im Hofe befanden, fragte der letztere: Was haben Sie, Herminie, und warum ist Ihnen so übel geworden bei der Geschichte oder vielmehr Fabel, die der Graf erzählte?
    Weil ich heute abend abscheulich aufgelegt war.
    Nein, Herminie, Sie werden mich das nicht glauben machen. Sie waren im Gegenteil in vortrefflicher Stimmung, als Sie beim Grafen ankamen. Es hat Ihnen irgend jemand etwas getan. Erzählen Sie es mir! Sie wissen wohl, ich dulde es nicht, daß Ihnen eine Beleidigung zugefügt wird.
    Ich versichere Ihnen, Sie täuschen sich, Lucien, es ist so, wie ich Ihnen gesagt habe.
    Frau Danglars stand offenbar unter dem Einfluß einer jener Nervenreizungen, von denen die Frauen sich selbst keine Rechenschaft geben können, oder sie hatte, wie Debray annahm, irgend eine geheime Aufregung erfahren, die sie niemand gestehen wollte. Als ein Mensch, der gewohnt ist, die Launen als ein unvermeidliches Element der Weiblichkeit zu betrachten, drang er nicht weiter in sie und beschloß, einen günstigen Augenblick zu neuem Ausforschen oder ein freiwilliges Geständnis abzuwarten.
    An der Tür ihres Zimmers traf die Baronin Fräulein Cornelie, ihre Lieblingskammerfrau. Was macht meine Tochter? fragte Frau Danglars.
    Sie hat den ganzen Abend studiert und ist dann zu Bett gegangen, antwortete Fräulein Cornelie.
    Es kommt mir doch vor, als hörte ich ihr Klavier?
    Fräulein Louise d'Armilly musiziert, während das Fräulein im Bett liegt.
    Gut, kleiden Sie mich aus!
    Man trat in das Schlafzimmer. Debray streckte sich auf einem großen Sofa aus, und Frau Danglars ging mit Fräulein Cornelie in ihr Ankleidekabinett.
    Einige Minuten nachher kam sie in einem reizenden Negligé aus ihrem Kabinett und setzte sich neben Lucien.
    Dann fing sie an, träumerisch mit ihrem spanischen Schoßhündchen zu spielen. Lucien betrachtete sie eine Minute schweigend und sagte hierauf mit weichem Tone: Antworten Sie offenherzig, Herminie, nicht wahr, es hat Sie irgend etwas verletzt?
    Nichts, erwiderte die Baronin.
    Doch sie mußte aufstehen und suchte freieren Atem zu gewinnen, denn es schnürte ihr die Brust zusammen; sie stellte sich vor einen Spiegel und rief: Ich sehe in der Tat heute abend aus, daß einem vor mir bange werden könnte.
    Debray erhob sich ebenfalls lächelnd, um Frau Danglars über diesen letzten Punkt zu beruhigen, als plötzlich die Tür sich öffnete. Herr Danglars erschien; Debray setzte sich wieder. Bei dem Geräusch der Tür wandte sich Frau Danglars um und schaute ihren Gatten mit einem Erstaunen an, das sie sich nicht einmal zu verbergen bemühte.
    Guten Abend, gnädige Frau, sagte Danglars; guten Abend, Herr Debray. Die Baronin glaubte ohne Zweifel, dieser unvorhergesehene Besuch bedeute etwas wie ein Verlangen, die bitteren Worte wieder gutzumachen, die ihm am Tage entschlüpft waren.
    Sie bewaffnete sich mit einer würdigen Miene, wandte sich gegen Debray um und sagte zu diesem, ohne Danglars' Gruß zu erwidern: Lesen Sie mir etwas vor, Herr Debray.
    Debray, den dieser Besuch anfangs einigermaßen beunruhigt hatte, erholte sich bald wieder, als er die Baronin so unbewegt sah, und streckte die Hand nach einem Buche aus.
    Verzeihen Sie, sagte der Bankier, doch Sie werden sehr müde werden, Baronin, wenn Sie so lange wachen; es ist elf Uhr, und Herr Debray wohnt sehr weit von hier.
    Debray war im höchsten Maße erstaunt; nicht als ob Danglars' Ton nicht vollkommen ruhig und höflich gewesen wäre; doch hinter dieser Ruhe und Höflichkeit ließ sich die ungewöhnliche Absicht nicht verkennen, an diesem Abend etwas anderes zu tun, als den Willen seiner Frau. Die Baronin war ebenfalls verwundert und bezeigte ihr Erstaunen durch einen Blick, der ihrem Manne ohne Zweifel zu überlegen gegeben haben würde, hätte dieser seine Augen nicht auf eine Zeitung gerichtet gehabt, in der er die Schlußnotierung der Rente

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