Der Graf von Monte Christo
ihn nicht mehr bei der Baronin.
Es hat Streit gegeben.
Mit ihr?
Nein, mit dem Baron.
Er hat also etwas bemerkt?
Sie scherzen!
Glauben Sie, er habe es vermutet? versetzte Monte Christo naiv.
Ei, woher kommen Sie denn, lieber Graf?
Vom Kongo, wenn Sie wollen.
Das ist noch nicht fern genug.
Kenne ich die Pariser Ehemänner?
Die Ehemänner sind überall dieselben. Wenn Sie sie in irgend einem Lande studiert haben, kennen Sie das ganze Geschlecht.
Doch was konnte denn Danglars und Debray entzweien? Sie schienen sich so gut zu verstehen, sagte Monte Christo mit gleicher Naivität.
Ah! wir kommen zu den Geheimnissen der Isis, und ich bin nicht eingeweiht. Wenn Herr Cavalcanti Sohn zur Familie gehört, so fragen Sie ihn danach.
Der Wagen hielt an.
Wir sind an Ort und Stelle, sagte Monte Christo, es ist erst halb elf Uhr, kommen Sie mit herauf, mein Wagen wird Sie zurückfahren.
Ich danke, mein Coupé muß uns gefolgt sein.
In der Tat, hier ist es, sagte Monte Christo und sprang zu Boden.
Beide traten in das Haus. Lassen Sie uns Tee machen, Baptistin, sagte Monte Christo, sobald sie im hell beleuchteten Salon waren.
Baptistin entfernte sich, ohne ein Wort zu sagen. Wenige Sekunden nachher erschien er wieder mit Tee und allem erdenklichem Zubehör.
In der Tat, mein lieber Graf, was ich an Ihnen bewundere, ist nicht Ihr Reichtum, es gibt vielleicht reichere Leute als Sie; es ist nicht Ihr Geist, Beaumarchais hatte nicht mehr, aber ebensoviel. Es ist die Art und Weise, wie Sie auf die Sekunde bedient werden, als ob man schon an Ihrem Läuten erriete, was Sie zu haben wünschen, und als ob das, was Sie haben wollen, stets bereit wäre.
An dem, was Sie sagen, ist etwas Wahres. Man kennt meine Gewohnheiten. Passen Sie auf! Wünschen Sie nicht irgend etwas zu tun, während Sie Tee trinken?
Bei Gott! ich wünsche zu rauchen.
Monte Christo näherte sich dem Glöckchen und tat einen Schlag.
Nach einer Sekunde öffnete sich eine besondere Tür, und Ali erschien mit zwei mit vortrefflichem Latakie gestopften Tschibuks.
Das ist wunderbar, sagte Morcerf.
Nein, das ist ganz einfach, versetzte Monte Christo. Ali weiß, daß ich gewöhnlich rauche, wenn ich Kaffee oder Tee trinke; er weiß, daß ich Tee verlangt habe; er weiß, daß ich mit Ihnen nach Hause gekommen bin, er hört, daß ich rufe, er vermutet die Ursache, und da er aus einem Lande stammt, wo die Gastfreundschaft besonders mittels der Pfeife geübt wird, so bringt er statt eines Tschibuks zwei.
Das ist allerdings eine gute Erklärung; darum scheint es mir aber nicht minder wahr, daß nur Sie ... Doch was höre ich?
Morcerf neigte sich nach der Tür, durch welche Töne wie von einer Guitarre drangen.
Meiner Treu, lieber Vicomte, Sie sind heute ein Opfer der Musik; Sie entgehen dem Piano Fräulein Danglars' nur, um in Haydees Guzla zu fallen.
Haydee! welch bewunderungswürdiger Name! Es gibt also wirklich auch außer in Lord Byrons Gedichten Frauen, die Haydee heißen?
Gewiß; Haydee ist ein in Frankreich sehr seltener, doch in Albanien und Epirus sehr gewöhnlicher Vorname, es ist, wie wenn man zum Beispiel sagte: Keuschheit, Schamhaftigkeit, Unschuld.
Oh! wie reizend! rief Albert; wie gern hörte ich unsere Französinnen sich Fräulein Güte, Fräulein Schweigen, Fräulein Nächstenliebe nennen! Wie wirkungsvoll müßte es sein, wenn es bei einem Heiratsaufgebot, statt Claire Marie Eugenie, Fräulein Keuschheit-Schamhaftigkeit-Unschuld Danglars heißen würde!
Sie sind verrückt! sagte der Graf; reden Sie nicht so laut! Haydee könnte es hören.
Und sie würde sich darüber ärgern?
Nein, sagte der Graf kalt.
Sie ist gut?
Es ist nicht Güte, es ist Pflicht; eine Sklavin ärgert sich nicht über ihren Herrn.
Scherzen Sie nicht! Es gibt keine Sklavinnen mehr!
Sicher, da Haydee die meinige ist.
In der Tat, Sie tun nichts und haben nichts, wie andere Menschen. Sklavin des Grafen Monte Christo! Das ist auch eine Stellung. Nach der Art und Weise, wie Sie das Geld in Bewegung setzen, muß es ein Platz sein, der hunderttausend Taler jährlich einträgt.
Hunderttausend Taler! Die Arme hat mehr als dies besessen. Die Schätze ihres Vaters konnten den Vergleich mit denen aus Tausendundeiner Nacht aushalten.
Sie ist also wirklich von Geburt eine Prinzessin?
Gewiß, und zwar eine der reichsten ihres Landes.
Ich vermutete es. Doch wie ist aus der vornehmen Prinzessin eine Sklavin geworden?
Wie ist Dionys, der Tyrann von Syrakus, Schulmeister
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