Der Graf von Monte Christo
hinaufgegangen. Noirtier schaute sie mit dem strengen, düstern Auge an, mit dem er sie gewöhnlich empfing.
Mein Herr, sagte sie, ich brauche Ihnen nicht erst mitzuteilen, daß Valentines Heirat aufgegeben ist.
Noirtier blieb unbeweglich.
Doch, was Sie nicht wissen, ist der Umstand, daß ich stets gegen diese Heirat gewesen bin, die wider meinen Willen geschlossen werden sollte.
Noirtier schaute seine Schwiegertochter wie ein Mensch an, der eine Erklärung erwartet.
Da nun aus dieser Heirat, die Ihnen, wie ich weiß, so sehr widerstrebte, nichts wird, so komme ich, um bei Ihnen einen Schritt zu tun, den weder Herr von Villefort noch Valentine tun können.
Noirtiers Augen sahen sie fragend an.
Ich komme, Sie zu bitten, mein Herr, fuhr Frau von Villefort fort, denn nur ich, die nichts davon hat, bin dazu berechtigt, ich komme, Sie zu bitten, Ihrer Enkelin, ich sage nicht Ihre Gunst, die sie stets gehabt hat, sondern Ihr Vermögen zufließen zu lassen.
Noirtiers Augen blieben eine Zeitlang unschlüssig, er suchte offenbar die Beweggründe dieses Schrittes und konnte sie nicht finden.
Darf ich hoffen, mein Herr, daß Ihre Absichten im Einklang mit der Bitte standen, die ich soeben an Sie gerichtet habe? sagte Frau von Villefort.
Ja, machte der Greis.
Dann entferne ich mich, zugleich dankbar und glücklich, sagte sie, grüßte Herrn Noirtier und verließ das Zimmer.
In der Tat ließ der Greis schon andern Tags den Notar kommen. Das erste Testament wurde vernichtet und ein anderes abgefaßt, nach dem sein ganzes Vermögen Valentine unter der Bedingung zufiel, daß man sie nicht von ihm trennte.
Neugierige Leute berechneten hieraus, als Erbin des Marquis und der Marquise von Saint-Meran und als Begünstigte ihres Großvaters werde Fräulein von Villefort eines Tags eine Rente von 300 000 Franken haben.
Während die Heirat zwischen Valentine und Herrn d'Epinay in die Brüche ging, hatte der Graf von Morcerf den Besuch Monte Christos empfangen, und um Danglars seinen Eifer kundzugeben, zog jener seine große Generalsuniform an, die er mit allen seinen Kreuzen hatte schmücken lassen, und befahl, seine besten Pferde anzuspannen.
So geschmückt begab er sich in die Rue de la Chaussee d'Antin und ließ sich bei Danglars melden, der eben seinen Monatsabschluß berechnete. Es war seit einiger Zeit nicht der Augenblick, in dem man den Bankier bei guter Laune fand. Beim Anblicke seines alten Freundes nahm Danglars eine majestätische Miene an und setzte sich steif in seinem Lehnstuhle zurecht. Dagegen hatte der sonst so förmliche Morcerf eine freundliche Miene angenommen. In der Überzeugung, seiner Eröffnung würde ein guter Empfang zuteil werden, ging er nicht diplomatisch zu Werke, sondern sagte, mit einem Schritte auf das Ziel losgehend: Baron, hier bin ich. Seit geraumer Zeit drehen wir uns um das, was wir früher besprochen ...
Morcerf erwartete, er würde bei diesen Worten das Gesicht des Bankiers, dessen Verdüsterung er seinem Stillschweigen zuschrieb, sich aufheitern sehen; aber Danglars' Gesicht wurde im Gegenteil noch viel kälter und unempfindlicher, weshalb Morcerf mitten in seinem Satze anhielt.
Was haben wir besprochen, Herr Graf? fragte der Bankier, als suchte er vergebens in seinem Geiste die Erklärung dessen, was der Graf sagen wollte.
Oh! Sie sind ein Formenmensch, versetzte der Graf, und Sie erinnern mich daran, daß das Zeremoniell beobachtet werden muß. Meinetwegen. Da ich nur einen Sohn habe und dies das erstemal ist, daß ich an seine Verheiratung denke, so bin ich noch ein Lehrling hierin; wohl, es mag sein! Und Morcerf erhob sich mit einem gezwungenen Lächeln, machte eine tiefe Verbeugung vor Danglars und sagte: Herr Baron, ich habe die Ehre, Sie um die Hand von Fräulein Eugenie Danglars, Ihrer Tochter, für meinen Sohn, den Vicomte Albert von Morcerf, zu bitten.
Doch statt diese Worte wohlwollend aufzunehmen, wie Morcerf sicher erwartet hatte, runzelte Danglars die Stirn, setzte sich, ohne den Grafen, der stehen geblieben war, zum Sitzen einzuladen, und sagte: Herr Graf, ehe ich Ihnen antworte, muß ich überlegen.
Überlegen? entgegnete Morcerf, immer mehr erstaunt, haben Sie seit den acht Jahren, da wir zum erstenmal von dieser Heirat sprachen, nicht Zeit gehabt, sich die Sache zu überlegen?
Herr Graf, sagte Danglars, es kommen täglich Dinge vor, die einen nötigen, eine einmal gemachte Überlegung zu wiederholen.
Wieso? Ich begreife Sie nicht, Baron.
Ich will
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