Der Graf von Monte Christo
– Ah! das ist ernst!
So ernst, daß ich komme, um Sie zu bitten, mir einen Dienst zu leisten. – Welchen?
Mein Zeuge zu sein. – Das ist eine wichtige Sache. Wir wollen hier nicht weiter darüber sprechen, sondern nach Hause zurückkehren. Ali, gib mir Wasser zum Händewaschen.
Treten Sie doch ein, Herr Vicomte, sagte Philipp ganz leise, Sie werden etwas Sonderbares sehen.
Morcerf trat in die Bahn. Statt der Plättchen waren Spielkarten an der Wand befestigt. Morcerf glaubte aus der Ferne, es sei ein völliges Spiel, denn er sah Karten vom Aß bis zum Zweier.
Ah! Ah! sagte Albert, Sie waren eben beim Piquetspielen.
Nein, sagte der Graf, ich war damit beschäftigt, ein Kartenspiel zu machen. – Wieso?
Ja, es sind Asse und Zweier, was Sie dort sehen, nur haben meine Kugeln Dreier, Fünfer, Siebener, Achter, Neuner und Zehner daraus gemacht.
Albert näherte sich. Die Kugeln hatten wirklich vollkommen genau und in vollkommen gleichen Entfernungen die fehlenden Zeichen ersetzt, und das Kartenpapier an den Stellen durchlöchert, wo es hätte bemalt sein sollen. Als Morcerf auf die Scheibe zuging, hob er auch noch ein paar Schwalben auf, welche die Unklugheit gehabt hatten, im Bereiche der Pistolen des Grafen vorüberzufliegen und von diesem geschossen worden waren.
Teufel! rief Morcerf.
Was wollen Sie, lieber Vicomte? sagte Monte Christo, ich muß wohl meine Augenblicke ausfüllen; doch kommen Sie, wir wollen gehen.
Beide stiegen in Monte Christos Wagen, der sie in wenigen Augenblicken zu seiner Wohnung brachte.
Monte Christo führte Morcerf in sein Kabinett und bezeichnete ihm einen Stuhl. Beide setzten sich.
Nun lassen Sie uns ruhig plaudern, sagte der Graf. Mit wem wollen Sie sich schlagen? – Mit Beauchamp. Mit einem Ihrer Freunde?
Man schlägt sich stets mit Freunden.
Es bedarf aber wenigstens eines Grundes.
In seiner Zeitung von gestern abend ... doch nehmen Sie, lesen Sie!
Ali reichte Monte Christo eine Zeitung, und dieser las folgende Worte:
Man schreibt uns aus Janina:
»Eine bis jetzt in weiten Kreisen unbekannte Tatsache ist zu unserer Kenntnis gekommen: Die Schlösser, welche die Stadt beschützen, wurden den Türken von einem französischen Offizier übergeben, in den Ali Tependelini sein ganzes Vertrauen gesetzt hatte, er hieß Fernand.«
Nun? fragte Monte Christo, was sehen Sie darin so Ärgerliches für Sie? – Was ich darin sehe?
Ja. Was geht es Sie an, daß die Schlösser von Janina durch einen Offizier namens Fernand übergeben worden sind?
Es geht mich viel an, da mein Vater, der Graf von Morcerf, mit seinem Taufnamen Fernand heißt.
Und Ihr Vater diente Ali Pascha?
Das heißt, er kämpfte für die Unabhängigkeit der Griechen; darin liegt die Verleumdung.
Ei! mein lieber Vicomte, lassen Sie uns vernünftig reden.
Das will ich ja gerade.
Sagen Sie mir doch, wer zum Teufel weiß in Frankreich, daß der Offizier Fernand derselbe Mann ist, wie der Graf von Morcerf, und wer kümmert sich jetzt noch um Janina, das 1822 oder 1823 glaube ich, genommen wurde?
Das ist eben die Schändlichkeit. Man läßt die Zeit darüber hingehen und kommt heute auf vergessene Ereignisse zurück, um einen Skandal daraus hervorgehen zu lassen, der einen Mann in hoher Stellung befleckt. Ich, der Erbe des väterlichen Namens, will nicht, daß darüber auch nur der Schatten eines Zweifels schwebe. Ich werde zu Beauchamp, dessen Zeitung diese Note veröffentlicht hat, zwei Zeugen schicken, und er wird sie widerrufen.
Beauchamp wird nichts widerrufen.
Dann schlagen wir uns.
Nein, Sie werden sich nicht schlagen, denn er wird Ihnen antworten, es habe in der griechischen Armee vielleicht fünfzig Offiziere namens Fernand gegeben.
Wir werden uns trotz dieser Antwort schlagen. Oh! es ist mein unabänderlicher Wille, daß dies aufhöre ... Mein Vater, ein so edler Soldat, eine so erhabene Laufbahn ...
Oder er wird in seine Zeitung einrücken: Wir haben Grund, zu glauben, daß dieser Fernand mit dem Herrn Grafen von Morcerf, dessen Taufname ebenfalls Fernand ist, nichts gemein hat.
Ich muß einen vollständigen, unbeschränkten Widerruf haben und werde mich hiermit nicht begnügen.
Sie schicken ihm also Zeugen? – In.
Sie haben unrecht. – Das heißt, Sie verweigern mir den Dienst, den ich von Ihnen verlange?
Ah! Sie kennen meine Theorie in Beziehung auf das Duell; ich habe Ihnen, wie Sie sich vielleicht erinnern, mein Glaubensbekenntnis hierüber in Rom abgelegt.
Und dennoch, mein lieber Graf,
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