Der Graf von Monte Christo
jungen Manne kalt stehe. Nur Fräulein Danglars, die mir keinen besonderen Beruf für die Ehe zu haben scheint, bewahrte mir ihre Zuneigung, als sie sah, wie wenig ich dazu beitrug, daß sie auf ihre liebe Freiheit Verzicht leisten sollte. Und Sie sagen, diese Heirat sei dem Abschluß nahe?
Mein Gott! ja, ungeachtet alles dessen, was ich einwenden mochte. Ich kenne den jungen Mann nicht; man behauptet, er sei reich und von guter Familie; für mich sind dies lauter unbewiesene Behauptungen. Ich habe dies Herrn Danglars sattsam wiederholt, aber er ist ganz verliebt in seinen Luckeser. Es war alles umsonst. Er beauftragte mich, an den Major zu schreiben und die Papiere zu verlangen, die Sie hier sehen. Ich schicke sie ihm, wasche mir aber, wie Pilatus, die Hände in Unschuld.
Beauchamp fing an, die Gemälde zu betrachten.
Doch, Sie scheinen mir merkwürdig aufgeregt, fuhr Monte Christo fort. Sprechen Sie, was haben Sie?
Ich habe Migräne, sagte Albert.
In diesem Fall, mein lieber Vicomte, kann ich Ihnen ein unfehlbares Mittel vorschlagen, ein Mittel, das mir geholfen hat, so oft ich mich mißgestimmt fühlte.
Welches? fragte der junge Mann.
Die Ortsveränderung.
In der Tat? rief Albert.
Ja, und da ich mich in diesem Augenblick gleichfalls im höchsten Grade mißgestimmt fühle, so ändere ich den Ort meines Aufenthaltes. Ist es Ihnen recht, wenn wir es gemeinschaftlich tun?
Sie mißgestimmt, Graf! warf Beauchamp ein, und worüber?
Bei Gott! Sie haben gut reden; ich wollte Sie sehen, wenn in Ihrem Hause eine Untersuchung angestellt würde.
Eine Untersuchung! Welche Untersuchung?
Die, welche Herr von Villefort gegen meinen Einbrecher führt, der, wie es scheint, ein aus dem Bagno entwichener Räuber ist.
Ah! es ist wahr, sagte Beauchamp, ich habe von der Sache gehört. Wie ist es denn mit diesem Caderousse?
Er scheint ein Provençale zu sein. Herr von Villefort hat von ihm sprechen hören, als er in Marseille war, und Herr Danglars erinnert sich, ihn gesehen zu haben. Die Folge davon ist, daß sich der Staatsanwalt die Sache sehr zu Herzen nimmt, daß dieselbe, wie es scheint, im höchsten Grade den Polizeipräfekten interessiert, der mir, bewogen durch dieses Interesse, für das ich ihm äußerst dankbar bin, seit vierzehn Tagen alle Banditen hierher schickt, deren man in Paris und Umgegend habhaft werden kann, unter dem Vorwande, es seien Genossen von Caderousse, so daß es in drei Monaten, wenn es so fortgeht, im schönen Frankreich keinen Dieb oder Mörder mehr gibt, der nicht den Plan meines Hauses an den Fingern kennt. Ich bin auch entschlossen, es ihnen ganz zu überlassen und so weit zu gehen, als mich die Erde tragen kann. Kommen Sie mit, Vicomte, ich nehme Sie mit.
Sehr gern, aber wohin?
Ans Meer, Vicomte, ans Meer. Ich bin ein Seemann und wurde als kleines Kind in den Armen des alten Ozeans und auf dem Schoße der schönen Amphitrite gewiegt. Ich habe mit dem grünen Mantel des einen und mit dem azurblauen Gewande der andern gespielt, ich liebe das Meer, wie man die Gebieterin seines Herzens liebt, und sehne mich oft danach. Nehmen Sie meinen Vorschlag an? – Ich nehme ihn an.
Herr Beauchamp, wollen Sie mit uns reisen? Ich nehme Sie mit. – Ich danke, ich komme von der See.
Wie! Sie kommen von der See? – Ja. Ich habe eine kleine Reise nach den Borromeischen Inseln gemacht.
Gleichviel, kommen Sie nur! sagte Albert.
Nein, mein lieber Morcerf, es geht nicht an. Überdies, fügte er, die Stimme dämpfend, hinzu, überdies ist es nötig, daß ich in Paris bleibe, um den Briefkasten meiner Zeitung zu bewachen.
Ah! Sie sind ein guter, vortrefflicher Freund, sagte Albert; ja, Sie haben recht, überwachen Sie, Beauchamp, und suchen Sie den Feind zu entdecken.
Albert und Beauchamp trennten sich; ihr letzter Händedruck enthielt alles, was ihre Lippen vor einem Fremden nicht aussprechen konnten.
Ein vortrefflicher Junge! sagte Monte Christo, nachdem der Journalist weggegangen war; nicht wahr. Albert?
Ja, ein Mann von Herz, dafür stehe ich Ihnen; ich liebe ihn auch von ganzer Seele. Nun aber, obgleich es mir ziemlich gleichgültig ist, wohin gehen wir?
Nach der Normandie, wenn Sie wollen, dort sind wir ganz unter uns, mit zwei Pferden, um zu rennen, mit Hunden, um zu jagen, und mit einer Barke, um zu fischen.
Das ist es, was ich brauche, ich benachrichtige meine Mutter und stehe dann zu Ihren Befehlen.
Aber wird man Ihnen erlauben, mit dem geheimnisvollen Grafen von Monte Christo zu
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