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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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Polizeibesuch zu verdanken? Mit Tagesanbruch spielten die Telegraphen in allen Richtungen und mahnten die Polizei, eifrig nach Caderousses Mörder zu forschen.
    Compiegne ist eine königliche Residenz, eine Jagdstadt, eine Garnisonstadt und im Überfluß mit Behörden, Gendarmen und Polizeikommissaren versehen; die Nachsuchungen begannen also sogleich nach Ankunft des telegraphischen Befehls, und da das Gasthaus zur Glocke das erste Gasthaus der Stadt ist, so machte man natürlich hier den Anfang. Die Schildwache, die dem Gasthofe gegenüber vor dem Rathause stand, erinnerte sich, einige Minuten nach vier Uhr einen jungen Mann auf einem Schimmel mit einem Bauernknaben gesehen zu haben, der Mann sei auf dem Platze abgestiegen, habe den Bauernknaben und das Pferd entlassen, an den Gasthof geklopft und dort Einlaß gefunden.
    Auf Grund dieser Angaben gingen der Polizeikommissar, der Gendarm und ein Brigadier auf Andreas Tür zu.
    Oh! oh! rief der Brigadier, ein in Gaunerstreichen wohl erfahrener alter Fuchs, eine offene Tür ist ein schlechtes Zeichen! Ich wollte lieber, sie wäre dreifach verriegelt. Der Vogel ist ausgeflogen.
    Der Zettel auf dem Tische und die wertvolle Nadel schienen die Annahme der Flucht zu bestätigen.
    Der Brigadier schaute umher, senkte seinen Blick unter das Bett, öffnete die Vorhänge, die Schränke und stand endlich vor dem Kamin still.
    Hier war die Möglichkeit eines Ausgangs gegeben und darum, obwohl Andreas Vorsicht jede Spur verwischt hatte, doch sorgfältige Nachforschung geboten.
    Der Brigadier ließ sich ein Reisbündel und Stroh bringen und legte Feuer daran.
    Das Feuer ließ die Backsteine krachen; eine undurchsichtige Rauchsäule drängte sich durch die Röhren und stieg zum Himmel empor, aber einen Erfolg hatte das Manöver nicht.
    Seit seiner Jugend im Kampfe mit der Gesellschaft, stand Andrea einem Gendarmen an List nicht nach. Er hatte den Brand vorhergesehen, war auf das Dach geklettert und kauerte sich hinter den Schornstein.
    Einen Augenblick hoffte er, gerettet zu sein, denn er hörte den Brigadier den Gendarmen zurufen: Er ist nicht mehr da! Doch als er behutsam den Hals ausstreckte, sah er, daß die Gendarmen, statt sich zurückzuziehen, wie es bei einer solchen Ankündigung natürlich gewesen wäre, im Gegenteil ihre Aufmerksamkeit verdoppelten.
    Er schaute sich nun ebenfalls um: das Rathaus, ein kolossales Gebäude aus dem sechzehnten Jahrhundert, erhob sich wie ein düsterer Wall zu seiner Rechten, und durch die Öffnungen des Baudenkmals konnte man in alle Winkel und Ecken des Daches schauen, wie man von einem Berge herab ins Tal schaut.
    Andrea sagte sich, er werde auf der Stelle den Kopf des Brigadiers an einer von den Öffnungen erscheinen sehen. War er einmal entdeckt, so war er auch verloren – eine Jagd auf den Dächern bot ihm keine Hoffnung auf Entkommen. Er beschloß also, nicht durch denselben Kamin, sondern durch einen ähnlichen hinabzusteigen.
    Er suchte mit den Augen einen Kamin, aus dem er keinen Rauch hervorkommen sah, erreichte ihn, über das Dach hinkriechend, und verschwand durch seine Öffnung, ohne wahrgenommen worden zu sein.
    In derselben Sekunde öffnete sich ein kleines Fenster des Rathauses und ließ den Kopf des Gendarmerie-Brigadiers erscheinen. Einen Augenblick blieb dieser Kopf unbeweglich, wie eines von den steinernen Reliefs, welche das Gebäude zieren; dann verschwand er wieder.
    Kalt und ruhig wie das Gesetz, dessen Vertreter er war, ging der Brigadier, ohne auf die tausend Fragen der versammelten Menge zu antworten, über den Platz und kehrte in den Gasthof zurück.
    Nun, wie steht es? fragten die Gendarmen.
    Meine Söhne, antwortete der Brigadier, der Räuber muß sich wirklich sehr frühzeitig heute morgen aus dem Staube gemacht haben; doch wir schicken Leute auf die Straße von Villers-Cotterets und Noyon und durchstreifen den Wald, wo wir ihn zweifellos finden werden.
    Der ehrenwerte Mann hatte kaum dieses Wort gesprochen, als ein langer Schreckensruf, begleitet von einem heftigen Klingeln einer Glocke, durch das Haus erscholl.
    Oh! oh! was ist das? rief der Brigadier. Das ist ein Reisender, der große Eile zu haben scheint, sprach der Wirt. Wo läutet man? – In Nummer 3.
    Laufe dahin, Kellner!
    In diesem Augenblick verdoppelten sich das Geschrei und der Lärm der Glocke. Der Kellner wollte hinlaufen.
    Nein, nein! sagte der Brigadier, den dienstbaren Geist zurückhaltend; es kommt mir vor, als wollte der, welcher läutet,

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