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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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könnte, das er bei seinem letzten Aufenthalte in Compiegne gehabt habe. Leider war Nr. 3 von einem jungen Manne besetzt, der mit seiner Schwester reiste.
    Andrea schien in Verzweiflung, er tröstete sich nur, als ihm die Wirtin versicherte, Nr. 7 habe ganz dieselbe Lage, wie Nr. 3. In seinem inzwischen vorbereiteten Zimmer fand Andrea ein zartes Huhn, eine Flasche alten Wein und ein helles knisterndes Feuer. Er speiste mit so gutem Appetit, als ob nichts vorgefallen wäre. Dann legte er sich nieder und versank bald in einen vortrefflichen Schlaf.
    Andreas Plan war folgender: Mit Tagesanbruch stand er auf, verließ das Wirtshaus, erreichte den Wald, erkaufte, unter dem Vorwand, Malerstudien zu machen, die Gastfreundschaft eines Bauern und verschaffte sich den Anzug eines Holzhauers und eine Axt. Mit künstlich gebräunten Händen und Gesichtszügen wollte er, nur bei Nacht marschierend und tagsüber sich verbergend, von Wald zu Wald zur nächsten Grenze gelangen und sich dabei bewohnten Orten nur nähern, um von Zeit zu Zeit ein Stück Brot zu kaufen.
    War die Grenze überschritten, so machte Andrea seine Diamanten zu Geld und war mit Einschluß von zehn Banknoten, die er für den Fall der Not immer bei sich trug, abermals im Besitze von 50 000 Franken. Dabei rechnete er darauf, die Familie Danglars werde alles aufbieten, den Lärm über die ihr peinliche Geschichte zu ersticken.
    Um früher aufzuwachen hatte Andrea die Läden nicht geschlossen; er begnügte sich, den Riegel an der Tür vorzuschieben und auf seinem Nachttische ein gewisses sehr scharfes und spitziges Messer von vortrefflich gehärtetem Stahl bereit zu legen.
    Als er nach langem, erquickendem Schlafe erwachte, war sein erster Gedanke, er habe zu lange geruht. Er sprang aus dem Bette, lief ans Fenster und sah einen Gendarm durch den Hof gehen.
    Ein Gendarm ist schon für einen harmlosen Menschen eine bemerkenswerte Erscheinung, für jedes furchtsame Gewissen ist seine Uniform aber ein entsetzliches Schreckbild.
    Warum ein Gendarm? fragte sich Andrea.
    Dann sagte er sich plötzlich: Ein Gendarm in einem Gasthof ist nichts Auffälliges; ich will mich also nicht wundern, sondern rasch ankleiden; ich warte, bis er weggegangen ist, und mache mich sodann aus dem Staube. Bald darauf trat er abermals ans Fenster und hob zum zweiten Male den Musselinvorhang auf.
    Der erste Gendarm war nicht nur nicht weggegangen, sondern der junge Mann erblickte eine zweite Uniform, unten an der Treppe, der einzigen, auf der er hinabgehen konnte, während ein dritter Gendarm, zu Pferde und den Karabiner in der Faust, als Schildwache am Hoftore hielt.
    Teufel! Man sucht mich, war Andreas erster Gedanke.
    Blässe überströmte seine Stirn, und er schaute ängstlich umher. Sein Zimmer hatte nur einen Ausgang nach der allen Blicken ausgesetzten äußeren Galerie.
    Ich bin verloren! war sein zweiter Gedanke.
    Für einen Menschen in Andreas Lage bedeutete Verhaftung: Schwurgericht, Verurteilung, Tod, ohne Barmherzigkeit.
    Einen Augenblick preßte er krampfhaft seinen Kopf zwischen seine Hände. Während dieses Augenblicks wäre er vor Angst beinahe verrückt geworden. Doch bald sprang aus der Welt der seinen Kopf durchkreuzenden Gedanken ein Hoffnungsstrahl hervor; ein bleiches Lächeln trat auf seine entfärbten Lippen und auf seine zusammengezogenen Wangen. Er schaute umher: die Gegenstände, die er suchte, fanden sich auf dem Marmor eines Sekretärs, nämlich Feder, Tinte und Papier. Er tauchte die Feder in die Tinte und schrieb mit fester Hand folgende Zeilen aus ein Blatt Papier:
     
    Ich habe kein Geld, um zu bezahlen, bin aber kein unehrlicher Mensch; ich lasse als Unterpfand diese Nadel zurück, die zehnmal mehr wert ist, als meine Zeche. Aus Scham habe ich mich schon mit Tagesanbruch davongemacht.
     
    Er nahm seine Nadel aus seiner Halsbinde und legte sie auf das Papier. Hernach zog er den Riegel zurück, öffnete die Tür ein wenig, als ob er sie beim Weggehen offen gelassen hätte, schlüpfte in den Kamin wie ein Mensch, der an solche gymnastische Übungen gewöhnt ist, verwischte mit seinen Füßen die Spur seiner Tritte in der Asche und fing an, in der gebogenen Röhre, die ihm noch den einzigen Weg der Rettung bot, hinaufzuklettern.
    In diesem Augenblick kam der erste Gendarm, der Andrea aufgefallen war, die Treppe herauf; der Polizeikommissar ging ihm voran, und unten an der Treppe blieb der zweite Gendarm stehen.
    Welchem Umstände hatte Andrea diesen frühen

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