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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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heftete seine matten Augen auf die beiden Gräber. Sein Schmerz war bodenlos tief, fast wie der Schmerz eines Unzurechnungsfähigen.
    Maximilian, Sie drückten auf der Reise das Verlangen aus, sich einige Tage in Marseille aufzuhalten; ist dies noch Ihr Wunsch?
    Ich habe keinen Wunsch mehr, Graf; nur kommt es mir vor, es wird mir weniger peinlich sein, in Marseille als anderswo zu warten.
    Desto besser, Maximilian, denn ich verlasse Sie und nehme Ihr Wort mit, nicht wahr?
    Ah! Ich werde es vergessen, Graf, ich werde es vergessen!
    Nein, Morel, Sie werden es nicht vergessen, weil Sie vor allem ein Mann von Ehre sind, weil Sie geschworen haben, weil Sie noch einmal schwören werden.
    Oh! Graf, haben Sie Mitleid mit mir! Graf, ich bin so unglücklich!
    Ich habe einen Menschen gekannt, der unglücklicher war, als Sie, Morel.
    Unmöglich! Was gibt es Unglücklicheres, als einen Menschen, der das einzige Gut, das er auf der Welt begehrte und liebte, verloren hat?
    Hören Sie, Morel, und lassen Sie einen Augenblick Ihren Geist das festhalten, was ich Ihnen sagen werde. Ich habe einen Menschen gekannt, bei dem alle seine Hoffnungen aus Glück, wie bei Ihnen, auf einer Frau beruhten. Dieser Mensch war jung, er hatte einen alten Vater, den er liebte, eine Braut, die er anbetete; er war eben im Begriff, sie zu heiraten, als plötzlich das launenhafte Schicksal ihm seine Freiheit, seine Geliebte und alle Hoffnung auf eine bessere Zukunft raubte, um ihn in die Tiefe eines Kerkers zu stürzen.
    Ah! entgegnete Morel, man verläßt einen Kerker wieder nach acht Tagen, nach einem Monat, nach einem Jahr.
    Er blieb vierzehn Jahre dort, Morel, sagte der Graf, seine Hand auf die Schulter des jungen Mannes legend.
    Maximilian bebte und murmelte: Vierzehn Jahre!
    Vierzehn Jahre, wiederholte der Graf. Auch er hatte während dieser vierzehn Jahre viele Augenblicke der Verzweiflung, auch er hielt sich, wie Sie, Morel, für den Unglücklichsten der Menschen und wollte sich töten.
    Nun?
    Nun! Im äußersten Augenblick enthüllte sich ihm Gott durch ein irdisches Mittel, denn Gott tut keine Wunder mehr. Am Anfang begriff er vielleicht nicht die unendliche Barmherzigkeit des Herrn; endlich aber faßte er Geduld und wartete.
    Eines Tages kam er wie durch ein Wunder aus seinem Grabe, ein anderer, reich, mächtig; sein erster Schrei galt seinem Vater – sein Vater war tot.
    Mein Vater ist auch tot, sagte Morel.
    Ja, aber Ihr Vater starb in Ihren Armen, unter Freunden, glücklich, geehrt, reich; sein Vater starb arm, hoffnungslos, an Gott verzweifelnd. Und als zehn Jahre nach seinem Tode der Sohn sein Grab suchte, da war sogar sein Grab verschwunden, und niemand konnte ihm sagen: Hier ruht im Herrn das Herz, das dich so sehr geliebt.
    Oh! seufzte Morel.
    Dies war also ein unglücklicherer Sohn, als Sie, Morel, denn er wußte nicht einmal, wo er das Grab seines Vaters wiederfinden sollte.
    Aber es blieb ihm doch wenigstens die Frau, die er so sehr geliebt hatte.
    Sie täuschen sich, Morel, diese Frau ...
    Sie war tot? rief Morel.
    Noch schlimmer als dies; sie war untreu geworden, sie hatte einen von den Verfolgern ihres Bräutigams geheiratet. Sie sehen also, daß dieser Mensch in seiner Liebe unglücklicher war, als Sie.
    Und ihm hat Gott dennoch Trost verliehen?
    Er hat ihm wenigstens Ruhe verliehen.
    Und dieser Mensch kann noch glücklich sein?
    Ich hoffe es, Maximilian.
    Der junge Mann ließ sein Haupt auf seine Brust sinken.
    Sie haben mein Versprechen, sagte er nach kurzem Stillschweigen, Monte Christo die Hand reichend; nur erinnern Sie sich ...
    Am fünften Oktober, Morel, erwarte ich Sie auf der Insel Monte Christo. Am vierten holt Sie eine Jacht im Hafen von Bastia ab; diese Jacht heißt der Eurus, Sie nennen sich dem Patron, und er führt Sie zu mir. Nicht wahr, das ist abgemacht, Maximilian?
    Es ist abgemacht, und ich werde tun, was gesagt ist? nur erinnern Sie sich des fünften Oktobers. Wann reisen Sie?
    Auf der Stelle, das Dampfboot erwartet mich. In einer Stunde bin ich fern von Ihnen.
    Morel begleitete Monte Christo bis zum Hafen; schon wirbelte der Rauch aus der schwarzen Röhre des Dampfers hervor. Bald lief das Schiff aus, und eine Stunde nachher durchstreifte derselbe Strich von weißlichem Rauch, kaum noch sichtbar, den von den ersten Nebeln verdüsterten östlichen Horizont.

Peppino.
     
    In demselben Augenblick, wo das Dampfschiff des Grafen hinter dem Kap Morgiou verschwand, hatte ein Mann, der mit Extrapost auf der Straße

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