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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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sonst bedarf, ausgerüstet war. Gern hätten die braven Leute dem großmütigen Geber gedankt, doch hatte man ihn, als er sie verließ, einem Matrosen Befehle geben, zu Pferd steigen und aus Marseille wegreiten sehen.

Das Wirtshaus zum Pont du Gard.
     
    An der Straße zwischen Beaucaire und Bellegarde liegt mit der Rückseite nach der Rhone zu ein altes, verwahrlostes Gasthaus. Seit etwa acht Jahren wurde diese kleine Wirtschaft von einem Manne und einer Frau geführt, deren einzige Dienerschaft ein Stubenmädchen, genannt Toinette, und ein Hausknecht, namens Pacaud, bildeten, die indessen für die Bedürfnisse des Dienstes genügten, seitdem ein von Beaucaire nach Aigues-Mortes gegrabener Kanal der Landstraße den Frachtverkehr entzogen hatte.
    Der Mann, der diese kleine Wirtschaft führte, war ungefähr vierzig Jahre alt, groß, mager und nervig, der wahre südliche Typus, mit seinen tiefliegenden, glänzenden Augen, seiner adlerförmigen Nase und seinen Zähnen, so weiß wie die eines fleischfressenden Tieres. Seine Haare waren, wie sein dichter, krauser Bart, kaum mit etwas Grau vermischt, sein von Natur bräunlicher Teint hatte sich noch tiefer gebräunt, weil sich der arme Teufel vom Morgen bis zum Abend auf seiner Türschwelle aufzuhalten pflegte, um zu sehen, ob ihm nicht zu Fuß oder zu Wagen ein Kunde zukäme, eine Erwartung, in der er fast immer getäuscht wurde, indes er sich vor der sengenden Sonnenhitze nach der Weise der spanischen Maultiertreiber nur durch ein um den Kopf gewickeltes rotes Taschentuch zu schützen suchte. Dieser Mann war unser alter Bekannter Gaspard Caderousse. Seine Frau sah im Gegenteil bleich und kränklich aus. In der Gegend von Arles geboren, war ihr Gesicht, obwohl die ursprünglichen Spuren der bekannten Schönheit ihrer Landsleute bewahrend, langsam unter dem Einfluß eines fast beständigen Sumpffiebers verfallen. Sie hielt sich, fast immer vor Kälte zitternd, in ihrem im ersten Stocke liegenden Zimmer auf, entweder in einem Lehnstuhle ausgestreckt, oder an ihrem Bette lehnend, während ihr Mann an der Tür seine gewöhnliche Wache bezog, die sich um so länger ausdehnte, als ihn seine magere Ehehälfte, so oft er sich wieder mit ihr zusammenfand, mit ihren ewigen Klagen gegen das Schicksal verfolgte, die er gewöhnlich nur mit den philosophischen Worten erwiderte: Schweig, Carconte, Gott will es so!
    Trotz dieser anscheinenden Fügsamkeit in die Beschlüsse der Vorsehung darf man indessen nicht glauben, daß unser Wirt den armseligen Zustand nicht erkannte, in den ihn der elende Kanal von Beaucaire versetzt hatte, und daß er unverwundbar gegen die ewigen Klagen blieb, mit denen ihn seine Frau verfolgte. Er war, wie alle Südländer, ein mäßiger Mensch und ohne große Bedürfnisse, aber eitel in äußeren Dingen. So ließ er in den Zeiten seines Wohlstandes nie eine Prozession vorübergehen, ohne sich dabei mit der Carconte zu zeigen, er in der malerischen Tracht des Südfranzosen, die die Mitte zwischen der des Andalusiers und des Kataloniers hält, sie in dem reizenden Gewande der Frauen von Arles, das Griechenland und Arabien entlehnt zu sein scheint. Allmählich aber waren Uhrketten, Halsbänder, tausendfarbige Gürtel, gestickte Leibchen, Samtwesten, Strümpfe mit zierlichen Zwickeln, bunte Gamaschen, Schuhe mit silbernen Schnallen verschwunden, und Caderousse, der sich nicht mehr in seinem ehemaligen Glanze zeigen konnte, hatte für sich und seine Frau Verzicht geleistet auf alles weltliche Gepränge, dessen freudiges Geräusch bis in sein armseliges Wirtshaus drang, das ihm mehr als Schirmdach, denn als Einnahmequelle diente.
    Caderousse hatte sich seiner Gewohnheit gemäß am Morgen vor der Tür aufgehalten und seinen schwermütigen Blick von einem Stückchen kahlen Rasens, woraus ein paar Hühner kauerten, nach den Enden der öden Landstraße spazieren lassen, die einerseits nach Süden und anderseits nach Norden lief, als ihn plötzlich die spitzige Stimme seiner Frau seinen Posten zu verlassen nötigte. Er ging brummend hinein und stieg in den ersten Stock hinauf, ließ aber nichtsdestoweniger seine Tür weit offen stehen, als wollte er die Reisenden einladen, ihn im Vorbeigehen nicht zu vergessen.
    In dem Augenblick, wo Caderousse hineinging, näherte sich von Bellegarde her ein Reiter. Es war ein Priester mit schwarzem Rock und dreieckigem Hute, der vor der Tür anhielt. Der Reiter stieg ab, zog das Pferd am Zügel nach und band es an; dann schritt er,

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