Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Bourrienne«, sagte Joséphine mit ihrem bezaubernden Lächeln.
Bourrienne sah sie entgeistert an. »Ich bin sprachlos«, sagte er, »Sie machen mir Angst. Zwei oder drei Jahre Frieden, und die paar armseligen Millionen, die wir aus Italien mitgebracht haben, werden dahin sein. In der Zwischenzeit will ich Ihnen wenigstens einen guten Rat geben, und zwar den, ein bisschen Zeit vergehen zu lassen, damit seine schlechte Laune sich verflüchtigen kann, bevor Sie ihm wieder unter die Augen treten.«
»Ach! Du lieber Himmel! Sie haben völlig recht – umso mehr, als ich heute Vormittag mit einer Landsmännin aus den Kolonien verabredet bin, einer Freundin meiner Familie, der Gräfin von Sourdis mit ihrer Tochter, und nichts wäre abscheulicher, als wenn er seinem Zorn freien Lauf ließe vor diesen Damen, die ich in der eleganten Welt kennengelernt habe und die zum ersten Mal in den Tuilerienpalast kommen.«
»Was gäben Sie dafür, wenn ich ihn hier festhielte, auch zum Mittagessen, und ihn erst zum Diner zu Ihnen ließe?«
»Was Sie nur wollen, Bourrienne.«
»Nun gut. Greifen Sie zu Feder und Papier, und schreiben Sie mit Ihrer hübschen kleinen Schrift...«
»Was?«
»Schreiben Sie!«
Joséphine setzte die Feder auf das Papier.
»Ich ermächtige Bourrienne, all meine Rechnungen aus dem Jahr 1800 zu begleichen und nach eigenem Ermessen die Rechnungsbeträge um die Hälfte oder sogar um zwei Drittel zu verringern.«
»Getan!«
»Datieren Sie es.«
»19. Februar 1801.«
»Und unterzeichnen Sie es.«
»Joséphine Bonaparte. Ist es so richtig?«
»Ausgezeichnet. Und jetzt gehen Sie, kleiden Sie sich an und empfangen Sie Ihre Freundin; der Erste Konsul wird Sie nicht stören.«
»Bourrienne, Sie sind wahrhaftig ein reizender Mensch.«
Und sie reichte ihm die Spitze ihrer Fingernägel zum Handkuss.
Bourrienne küsste ehrerbietig die dargebotenen Krallen und klingelte nach dem Bürodiener, der an der Schwelle des Kabinetts erschien.
»Landoire«, sagte Bourrienne, »sagen Sie dem Hausdiener, dass der Erste Konsul heute in seinem Kabinett zu Mittag speisen wird. Er soll den Beistelltisch und zwei Gedecke bringen lassen; wir werden ihn benachrichtigen, wenn aufgetragen werden soll.«
»Und wer wird mit dem Ersten Konsul speisen, Bourrienne?«, fragte Joséphine neugierig.
»Das muss Sie nicht kümmern, solange es jemand ist, der ihn in gute Laune versetzt.«
»Aber wer ist es?«
»Wäre Ihnen lieber, er speiste mit Ihnen zu Mittag?«
»O nein, Bourrienne, o nein!«, rief Joséphine. »Er soll speisen, mit wem er will, und sich erst zum Diner blicken lassen.«
Damit entschwand sie. Eine Gazewolke rauschte vorbei, und Bourrienne war allein.
Zehn Minuten darauf wurde die Tür des Paradeschlafzimmers geöffnet, und der Erste Konsul kam zurück.
Er trat zu Bourrienne und stemmte die Fäuste auf den Schreibtisch seines Sekretärs.
»Wohlan, Bourrienne«, sagte er, »jetzt habe ich den berühmten Georges mit eigenen Augen gesehen.«
»Und welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?«
»Er ist einer der alten Bretonen aus der niederbretonischen Bretagne«, sagte er, »aus dem gleichen Granit gehauen wie ihre Menhire und Dolmen, und ich müsste mich sehr täuschen, sollte ich nicht noch mit ihm zu tun haben. Er kennt keine Furcht und hat keine Wünsche. Solche Männer sind zum Fürchten, Bourrienne.«
»Zum Glück sind sie selten«, erwiderte sein Sekretär lachend. »Sie werden
es am besten wissen, denn Sie haben genug Maulhelden und Windfahnen erlebt.«
»Apropos Windfahne, hast du Joséphine gesehen?«
»Kurz bevor Sie kamen.«
»Ist sie zufrieden?«
»Ein Stein von der Größe Montmartres ist ihr von der Seele genommen.«
»Warum hat sie nicht auf mich gewartet?«
»Sie hat sich vor einer Strafpredigt gefürchtet.«
»Bah! Sie weiß, dass ihr die nicht erspart bleibt.«
»Ja, aber wenn man bei Ihnen Zeit gewinnt, hat man Aussicht auf gute Laune. Außerdem erwartete sie um elf Uhr eine Dame aus ihrem Freundeskreis.«
»Wer ist es?«
»Eine Kreolin aus Martinique.«
»Und sie heißt?«
»Gräfin von Sourdis.«
»Und wer sind diese Sourdis? Kennt man den Namen?«
»Das fragen Sie mich?«
»Gewiss doch. Kannst du etwa nicht das französische Adelsbuch auswendig aufsagen?«
»Nun gut! Es ist eine Familie mit sowohl ausgesprochen klerikaler als auch militärischer Ausrichtung, die sich bis in das 14. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. An dem französischen Vorstoß nach Neapel war, wenn ich
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