Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
darunter Diamanten,
    Rubine, Saphire, Smaragde, gefärbtes Glas, Berylle,
    Hyazinthe und andere, manche ungefaßt, andere in Gold
    oder Silber eingearbeitet.
    Alles in allem war ich nicht allzu verschwenderisch, und was ich schließlich erstand, war keineswegs übertrieben. Als zum Beispiel der Schneider mit den Gewändern zur Anprobe zurückkehrte, sagte er: »Ich habe natürlich noch keine Farben ausgewählt, weder für den Saum Eurer Tuniken und Togen noch für die Einsatzstreifen an Eurem Mantel.
    Obwohl ich Euch bisher als Illustrissimus angesprochen habe und Ihr mich diesbezüglich nicht verbessert habt, bin ich nicht sicher, ob dies in der Tat Euer Rang ist - in diesem Fall käme natürlich nur Grün als Farbe für Eure Gewänder in Frage - oder ob Ihr nicht doch den Status eines Patriziers einnehmt und das Purpur verdient. Auch habt Ihr nicht
    bestimmt, ob die Säume und Einsätze lediglich gefärbt oder ornamental gestaltet werden sollen.«
    »Nichts von alledem«, sagte ich, dankbar, daß er mich
    unwissentlich aufgeklärt hatte. »Keine Farben, keine
    Figuren. Ich ziehe die Materialien ohne Verzierungen in ihren natürlichen Farben vor - weiß, lederbraun, mausgrau, wie auch immer.«
    Entzückt klatschte der Schneider in die Hände. »Euax!
    Hier spricht ein Mann von gutem Geschmack. Ich erkenne Eure Beweggründe, Illustrissimus. Wenn die Natur den
    Materialien keine grellen Farben verlieh, warum sollte es ihr Träger tun? Gerade die Einfachheit Eurer Gewänder wird Euch aus jeder Gesellschaft hervorheben, auffälliger noch, als wenn Ihr prunkvoll wie ein Pfau herausgeputzt wärt.«
    Ich hatte ihn im Verdacht, mir nur schmeicheln zu wollen, aber dem war wohl doch nicht so. Als ich diese Gewänder später auf den Gesellschaften trug, zu denen ich eingeladen wurde, machten verschiedene herausragende und gebildete Personen, viel erfahrener in diesen Dingen als ich, mir ehrlich gemeinte Komplimente über meine Kleidung.
    Die Bemerkung des Schneiders lehrte mich eine wichtige Lektion: meinen Mund zu halten, wenn ich mit einem Thema konfrontiert wurde, über das ich eigentlich Bescheid wissen müßte, es aber nicht tat. Mit geschlossenem Mund konnte ich unmöglich meine Unerfahrenheit verraten. Und wenn ich nur lange genug schwieg, dann würde mir früher oder später jemand mit einer zufällig hingeworfenen Bemerkung
    weiterhelfen. Indem ich meine Unwissenheit hinter einer scheinbar hochmütigen Schweigsamkeit verbarg, gelang es mir, mich nicht nur nicht bloßzustellen, sondern von anderen sogar für weiser als sie selbst gehalten zu werden.
    Eines Nachts, nach einem Gelage im Triklinium von
    Vindobonas angegrautem, enorm dicken Präfekten Maecius
    - die Frauen hatten sich schon zurückgezogen, und wir
    Männer freuten uns auf ein Trinkgelage - betrat ein Bote den Raum und übergab unserem Gastgeber unauffällig ein
    Schreiben. Der Präfekt warf einen Blick darauf und räusperte sich dann aufmerksamkeitsheischend. Die Unterhaltungen verstummten mit einem Schlag, und alle wandten sich ihm zu.
    Feierlich verkündete Maecius: »Freunde und Mitbürger
    Roms, wichtige Nachrichten harren Eurer. Diese Botschaft wurde mir direkt von meinen Agenten in Ravenna
    übermittelt, Ihr hört die Neuigkeit also noch vor den
    offiziellen Stellen: Olybrius ist tot.«
    Ein Chor überraschter Ausrufe erklang.
    »Was? Nun auch Olybrius?«
    »Wie kam er zu Tode?«
    »Schon wieder ein Attentat?«
    Ich schrie nicht, wie ich es früher wohl getan hätte, hinaus
    »Wer um alles in der Welt ist Olybrius?«, sondern rümpfte nichtssagend die Nase und trank einen Schluck von meinem Wein.
    »Nein, diesmal kein Attentat«, erwiderte Maecius. »Der Imperator starb an der Wassersucht.«
    Erleichtertes Murmeln in der Runde.
    »Welche Erleichterung, das zu hören.«
    »Aber was für eine Art zu sterben, eines Bauern würdig, nicht aber eines Imperators.«
    »Und nun, was jetzt?«
    Ich platzte nicht los »Aber ich dachte, Anthemius sei
    Imperator in Rom!«, sondern setzte ganz gemächlich zu
    einem weiteren, langen Schluck aus meinem Glas an.
    Der Präfekt gab die Frage an die Anwesenden zurück:
    »Ja, was nun? Ich schlage vor, wir fragen den erlauchten Tornaricus dort drüben, obwohl ich kaum glaube, daß er uns etwas verraten wird. Seht, Freunde, nur er allein unter uns scheint von der Nachricht weder überrascht noch sonderlich bewegt zu sein.«
    Alle Anwesenden starrten mich an. Gleichgültig erwiderte ich ihre Blicke. Ein Lächeln wäre kaum

Weitere Kostenlose Bücher