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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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um Thornareichs, den
    vornehmsten Gast, der Amalrich jemals die Ehren seines Besuchs erwies, angemessen zu begrüßen.«
    Thiudas unmöglicher Hochmut trieb mir die Schamröte ins Gesicht, und insgeheim murmelte ich verzweifelt »Jesus«.
    Aber unglaublicherweise wurden seine Anweisungen
    diensteifrig befolgt. Der eine Mann rannte sofort los, während der andere vor uns herlief und in Thiudas Geschrei einstimmte: »Platz! Macht Platz für den Thornareichs!« Also unterdrückte ich meine Verlegenheit und schüttelte nur verwundert meinen Kopf. Thiuda schien recht zu haben.
    »Gib vor, Jemand zu sein, glaub selbst daran, und schon bist du Jemand.«
    Die Herberge war in der Tat prächtig, drei Stockwerke
    hoch aus Ziegeln erbaut, und fast so farbenfroh dekoriert wie die Häuser in Haustaths. Der Eigentümer war in der Tat dick, ebenso die Frau, vermutlich seine Frau, und die beiden Heranwachsenden, die wohl seine Söhne waren. Ganz
    offensichtlich hatten sie sich in größter Hast in ihre besten Gewänder geworfen, denn diese waren nur notdürftig und teilweise verkehrt herum geschlossen. Der weite,
    gastfreundliche Vorhof der Herberge wimmelte von
    Bediensteten, die sich mit der Familie zu meiner Begrüßung versammelt hatten. Manche trugen Schürzen, andere hielten Kochlöffel, wieder andere Wedel aus Gänsefedern in den Händen. Aus verschiedenen Fenstern in den oberen
    Stockwerken schauten Gäste neugierig herunter.
    Feist wie der Eigentümer war, gelang ihm doch eine tiefe Verbeugung, dann sagte er auf Lateinisch, Gotisch und
    Griechisch: »Salve! Hails! Khaire! Ich erbiete Eurer Hoheit mein Willkommen.« Das entspricht zwar nicht der
    vorgeschriebenen Begrüßungsformel für jemanden von
    königlichem, adligem, staatlichem oder kirchlichem Rang, aber da Thiuda bei seiner Prahlerei wohlweislich vermieden hatte, zu verkünden, was genau meine Stellung war, mußte der Wirt notgedrungen improvisieren.
    Herablassend blickte ich ihn von meiner erhabenen
    Position an und fragte betont gleichgültig: »Ist jus Amalrich, niu?«
    »Das bin ich, Euer Hoheit. Euer unwürdiger Diener
    Amalrich, falls es Euer Hoheit beliebt, mir in der alten Sprache zu befehlen. Die griechisch Sprechenden nennen mich Emera, die Kelten Amerigo und in Latein heiße ich Americus.«
    »Ich denke«, sagte ich gelangweilt, »Ich nenne dich...
    Knödel.« Irgend jemand kicherte, und Thiuda nickte mir amüsiert und zustimmend zu. Amalrich verbeugte sich noch tiefer. »Worauf, Knödel, wartest du noch? Rufe einen
    Stallburschen für unsere Pferde her.«
    Als der dicke Wirt und seine Frau mich hineingeleiteten, sagte er: »Ich bedaure, von Eurer Ankunft nicht früher in Kenntnis gesetzt worden zu sein, Euer Hoheit.« Seine
    Hände zuckten nervös. »Ich hätte natürlich die allerbesten Räume in unserem Haus für Euch richten lassen. Jetzt
    jedoch...«
    »Jetzt jedoch«, unterbrach ich ihn, »da ich hier bin, kannst du sie mir anbieten.« Unhöflichkeit war, so fand ich, leicht zu erlernen.
    »Oh Vai!« stöhnte er. »Aber ich erwarte noch heute
    nachmittag einen außerordentlich reichen Kaufmann, der immer in diesen Räumen logiert und der...«
    »Was sagst du?« fuhr ich ihn an. »Wieviel soll dieser ach so reiche Händler kosten?« Hinter Amalrichs Familie lachte Thiuda schadenfroh in sich hinein. »Sagt ihm, wenn er
    kommt, daß ich ihn zu kaufen wünsche. Einen zusätzlichen Sklaven kann ich immer gut gebrauchen.«
    »Ne, Euer Hoheit«, flehte Knödel und fing leicht an zu schwitzen. »Ich werde sehen, wie ich ihn zufriedenstelle, ohne Euer entehrendes Angebot... Ich wollte sagen,
    selbstverständlich sind die Zimmer die Euren. Burschen, holt die Sachen Ihrer Hoheit herein. Und, Euer Hoheit, wünschen Sie auch ein Zimmer für Ihren, äh, Herald? Diener? Sklave?
    Oder schläft er bei den Pferden?«
    Schon wollte ich wieder etwas Gemeines, meinem neuen
    Status Entsprechendes, äußern, als Thiuda mir zuvorkam.
    »Ne, guter Herr Knödel. Wenn Ihr mir einfach den Weg zur nächsten, billigsten und heruntergekommensten Herberge weist, will ich mich mit einer Unterkunft dort begnügen. Nur eine Nacht werde ich in Vindobona bleiben, denn schon in der Morgendämmerung muß ich zu wichtigen und
    ausgedehnten Besorgungen für meinen Fräuja Thornareichs aufbrechen.« Hinter vorgehaltener Hand flüsterte er ihm vertrauensvoll zu: »Sie verstehen, dringende und geheime Botschaften.«
    »Natürlich, natürlich.« Knödel war beeindruckt. »Nun, das nächste...

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