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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hmm, mal sehen.« Er kratzte seinen
    schweißglänzenden Kahlkopf. »Das wäre der bescheidene
    Verschlag der Widuwo Dengla. Manchmal gelingt es ihr,
    einen unbedarften Reisenden bei sich unterzubringen, aber niemand bleibt jemals lange, denn sie stiehlt die Sachen der Gäste.«
    »Ich werde auf meinen Sachen schlafen«, sagte Thiuda.
    »Nun, ich will gehen, Wirt, sobald ich eine Kostprobe von den ausgesuchten heißen Gerichten und kalten Weinen
    genommen habe, die ihr sicherlich schon alsbald meinem Herren servieren werdet. Es versteht sich von selbst, daß Thornareichs sich nicht dazu herabläßt, von einem Gericht auch nur zu kosten, bevor nicht ich versichert habe, es sei rein, nahrhaft und genauso zubereitet, wie er es mag.«
    »Natürlich, natürlich«, sagte der arme Wirt und schwitzte so sehr, daß er durchgekocht wie ein echter Knödel aussah.
    »Wenn Ihre Hoheit sich gewaschen und erfrischt hat, wird die Tafel mit den schmackhaftesten Köstlichkeiten aus
    unserer Speisekammer und unserem Keller gedeckt sein.«
    Zu mir sagte er, mit so etwas wie Verzweiflung in der
    Stimme: »Wenn Euer Hoheit beliebt, mir zu folgen. Ich selbst werde Euch auf Eure Zimmer führen.«
    Da wir zu so einer ungewöhnlichen Zeit, nämlich zwischen dem mittäglichen Prandium und der abendlichen Cena eine Mahlzeit verlangten, waren wir die einzigen Gäste in der Halle, die so einladend eingerichtet war wie jener im
    römischen Stil gehaltene Speisesaal, den ich in Basilia gesehen hatte. Die Tische waren mit weißem Linnen
    gedeckt, daneben standen Liegen anstelle von Stühlen oder Bänken. Thiuda und ich legten uns an einen der Tische und trommelten ungeduldig mit den Fingern auf das Holz. Sofort kam Knödel angerannt. Umständlich entschuldigte er sich dafür, daß das Essen noch nicht bereit stand, und sandte seine Söhne nach Wein.
    Kurz darauf schleppten sie eine offensichtlich schwere Amphore herbei. Thiuda und ich sahen sie mit Überraschung und Vorfreude, denn in jenen Tagen waren Fässer schon
    allgemein üblich, und echte, nach der alten Methode aus gebranntem Ton gefertigte Amphoren waren nur noch selten im Gebrauch. Diese hier hatte zudem keinen flachen Boden, sondern lief unten spitz zu, so daß sie nicht aufgestellt werden konnte. Das bedeutete, daß sie in Erdlöchern im Keller der Herberge gelagert worden war, um dem Wein Zeit zum Altern und Reifen zu geben. Offensichtlich sollte uns also kein gewöhnlicher Tafelwein vorgesetzt werden.
    Trotzdem, als Knödel das Siegel erbrach und mit einer
    kleinen Schöpfkelle ein wenig Wein in einen Becher goß, griff Thiuda sehr bestimmt danach, schnüffelte mißtrauisch, nippte schließlich und rollte den Wein in seinem Mund, wobei er gleichzeitig auch mit seinen Augen rollte. Ich glaube, wenn wir von der Reise nicht so durstig gewesen wären, hätte er selbst diesen Wein für ungenießbar erklärt und nach einer neuen Amphore verlangt. Aber so brummte er widerwillig »Ein passabler Falernianer. In Ordnung« und ließ den dankbaren Knödel unsere Becher füllen.
    Als das Menü aufgetragen wurde - mehrere Gänge, der
    erste eine Suppe von Kälberhirn und Erbsen - rührte ich nichts an, bis nicht Thiuda von allem probiert hatte und es, nach einer spannungsgeladenen Pause als »passabel« oder
    »akzeptabel« und einmal sogar »zufriedenstellend«
    deklarierte - Knödel sprang beinahe in die Luft vor Stolz.
    Aber kaum hatte Thiuda gesprochen, stürzten wir beide uns wie die Wilden über den jeweiligen Gang her.
    Zwischen den beiden Hauptgängen -
    in Kräutern
    gerösteter Donauaal und geschmorter Hase in Weinsoße -
    hielt ich inne, um aufzustoßen und wieder zu Luft zu
    kommen. Dabei fragte ich Thiuda: »Reist du wirklich so bald schon wieder ab, nur um deinen Geburtsort
    wiederzusehen?«
    »Deswegen auch, aber nicht nur deswegen. Es ist schon
    lange her, seit ich meinen Vater sah. Ich werde also den Windungen der Donau folgen, bis zur Stadt Novae in
    Moesia. Das ist die Hauptstadt der Ostgoten, und dort hoffe ich ihn zu finden.«
    »Es tut mir leid, daß du gehst.«
    »Väi. Du hast dich vollkommen erholt von dem
    Schlangenbiß. Hier bist du als bedeutende Persönlichkeit eingeführt und wirst als solche behandelt. Nutze das aus!
    Vindobona ist ein angenehmer Ort für den Winter. Ich werde in dem Haus der Witwe nächtigen, so daß ich morgen nicht erst auf die Stallburschen warten muß und schon früh
    losreiten kann.«
    »Dann laß mich dir jetzt sagen, Thiuda, wie sehr ich deine

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