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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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überzeugt hatte, daß niemand ihn
    verdächtigen würde, willigte er schließlich ein und versprach mir auch, etwas außerhalb von Pomore am Strand ein
    kleines Signalfeuer anzuzünden, sobald die Königin sich nicht mehr länger hinhalten ließ. Frido war inzwischen dabei, zusammen mit der Wache die letzten Gepäckstücke auf
    unsere Pferde zu laden. Als er mich kommen sah, schickte er die Wache aufs Schiff zurück. Ich bat ihn, ebenfalls noch einmal kurz an Bord zu gehen, um unserem Seemann, der
    inzwischen ebenfalls an die Geschichte mit der
    Überraschung glaubte, den Befehl zu geben, sogleich
    wieder auszulaufen, in sicherer Entfernung von Pomore vor Anker zu gehen und dort zu warten, bis er durch ein
    Signalfeuer am Strand das Zeichen zur Rückkehr erhielte.
    Als Frido wenig später zu mir zurückkehrte, hatte das Schiff bereits wieder abgelegt. Wir schwangen uns auf die Pferde, ritten in aller Ruhe aus der Stadt hinaus und galoppierten erst los, als wir das letzte Haus von Pomore weit hinter uns gelassen hatten.
    Aus meiner Sicht gab es auf unserem langen Ritt nach
    Süden keine besonderen Vorkommnisse, für den jungen
    Prinzen war jedoch jede Meile und jeder Tag ein neues, aufregendes Abenteuer, da er Pomore vor unserer
    Schiffsreise noch nie verlassen hatte. Er hatte noch nie zuvor einen Fluß durchwatet oder einen Berg bestiegen, und wir überquerten unterwegs gleich mehrere Flüsse und ritten über eine ganze Reihe von Bergen. Er war auch noch nie gezwungen gewesen, selbst zu jagen, zu fischen oder Fallen zu stellen, um etwas zu essen zu haben. All das brachte ich ihm mit der Zeit bei. Er lernte sehr schnell und konnte bald sogar mit dem Wurfseil, das ich von den Amazonen
    übernommen hatte, kleinere Beutetiere fangen. Obwohl
    zwischen mir und Frido kein so großer Altersunterschied bestand wie seinerzeit zwischen mir und dem alten Wyrd, kam ich mir oft so vor wie mein alter Lehrer und weiser Ratgeber, als ich diesem unerfahrenen Jungen zeigte, wie man im Wald überleben konnte, denn vieles, was ich ihn lehrte, hatte ich in meiner Jugend auf ganz ähnliche Weise vom alten Wyrd gelernt: wie man selbst im Winter noch
    eßbare Pflanzen fand, wie man Wildbret in seiner eigenen Haut kochte, wie man sich an einem wolkigen Tag des
    Sonnensteins bediente, um die richtige Richtung zu finden...
    Der Sonnenstein war für uns auf dieser Reise wirklich von unschätzbarem Wert, denn er half uns, unseren Kurs zu
    halten. Nach meinen Berechnungen führte der kürzeste Weg in die römischen Provinzen direkt nach Süden. Natürlich ließen sich Umwege nicht immer vermeiden, denn
    manchmal ist es sinnvoller, einem Hindernis auszuweichen statt den direkten, aber viel mühsameren Weg zu wählen.
    Ich machte auch bewußt einen Bogen um die wenigen
    kleinen Siedlungen, die anfangs noch auf unserem Weg
    lagen, denn die rückständigen Bewohner solch abgelegener Dörfer stellen oft die seltsamsten Fragen. Als wir die Weichsel jedoch erst hinter uns gelassen hatten, kamen wir immer seltener an Siedlungen vorbei.
    Nachdem wir lange Zeit durch kaum erschlossene Gebiete immer geradewegs nach Süden geritten waren, erreichten wir schließlich die große Biegung der Donau. Die verfallenen Ruinen der Grenzstadt Aquincum, an denen ich früher schon einmal vorbeigekommen war, kündigten uns an, daß wir uns allmählich wieder der Zivilisation näherten. Immerhin
    befanden wir uns jetzt bereits in der Provinz Valeria, und als Prinz Frido zum ersten Mal in seinem Leben römischen
    Boden betrat, fand er das genauso aufregeqd wie all die anderen neuen Abenteuer, die er auf dieser Reise schon erlebt hatte. Mir fiel auf, daß das Eis auf dem Fluß bereits aufbrach; wir mußten uns also beeilen, denn der Frühling schien kurz vor der Tür zu stehen. In wildem Ritt jagten wir die Donau hinunter nach Süden, bis wir schließlich den Kriegshafen Mursa erreichten. Dort legte ich dem
    Flottenführer die von seinem Oberbefehlshaber
    unterschriebene Urkunde vor, die mich als Marschall
    auswies. Als er mir mitteilte, daß der Krieg möglicherweise unmittelbar bevorstünde, setzte ich sofort ein kurzes
    Schreiben an Theoderich auf und bat den freundlichen
    Flottenführer, es sogleich mit seinem schnellsten Schiff zu meinem König bringen zu lassen. Obwohl ich in diesem Brief auch ganz kurz auf meinen Aufenthalt im Land der Rugier einging, lautete meine Botschaft an Theoderich im Grunde nur: Vermeide bis zu meiner Ankunft jede

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