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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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anstarrten, weil ich wie sie Lateinisch sprach oder wegen meiner Vermessenheit, überhaupt den Mund aufzutun,
    sondern weil sie gespannt darauf waren, was ich als
    nächstes sagen würde. Ich sagte: »Tauscht ihn heimlich gegen einen der Charismaten aus.«
    Die beiden Männer schwiegen immer noch. Dann
    wechselten sie einen Blick.
    »Bei Mithras, eine geniale Idee«, sagte der Legat zu Wyrd.
    »Wer von Euch beiden ist der Lehrling?«
    »Bei Gott, der Junge lernt schnell«, sagte Wyrd stolz.
    Der Legat fragte mich: »Ich habe die Kastraten des
    Sklavenhändlers nicht gesehen. Ist einer dabei, der uns dienen könnte?«
    »Zwei oder drei scheinen das rechte Alter zu haben,
    Clarissimus«, antwortete ich. »Entscheiden müßt Ihr selbst, ob einer davon Eurem Enkel ähnlich sieht. Der Syrer brachte sie vorhin in die Bäder, doch inzwischen sind sie sicher wieder zurück.«
    »Das glaube ich kaum«, sagte der Legat. Und er fügte
    nicht unfreundlich hinzu: »Anscheinend warst du noch nie in einem römischen Bad, Junge, wenn du überhaupt weißt,
    was ein Bad ist.«
    Wyrd schnaubte. »Zahlt man eine rettende Idee mit einer Beleidigung heim, Calidius? Der Junge ist sehr reinlich. Man hat uns nur kein Bad nehmen lassen, seit wir hier sind.«
    »Verzeih mir, Thorn«, sagte der Legat. »Auch ich könnte heute ein zusätzliches Bad vertragen, nachdem ich mit
    diesem schmutzigen Sklaven reden mußte. Wir wollen uns sofort zu den Bädern begeben. Paccius wird wissen, in
    welches der Syrer gegangen ist.«
    Im Bad angelangt, wurde mir schnell klar, warum Calidius sich so sicher war, daß der Syrer und seine kleinen
    Eunuchen noch dort waren. Ein römisches Bad ist ein
    langwieriges Ritual, für das man viel Zeit braucht.
    Im Auskleidezimmer legten Calidius, Wyrd und ich unsere Kleider ab. Jeder wurde von einem Sklaven bedient. Bevor wir das Bad begannen, eilten wir jedoch zuerst in einen anderen Raum, in dem die Charismaten nackt und wendig
    und glatt wie die Wassermolche und genauso
    geschlechtslos vergnügt in einem Becken planschten.
    Der Legat warf einen Blick auf sie und sagte dann leise:
    »Der Junge dort drüben, der versucht, den Syrer mit Wasser zu bespritzen, ist ungefähr so alt und so groß wie mein Enkel. Nur hat er dunkle Haare, und der kleine Calidius ist blond. Auch die Gesichtszüge stimmen nicht überein.«
    »Das macht nichts«, beruhigte ihn Wyrd. »Für die Hunnen sehen wir aus dem Westen alle gleich aus, wie umgekehrt alle Hunnen für uns gleich aussehen. Befehle sofort einem Sklaven, das Haar des Jungen zu bleichen. Mehr ist nicht notwendig.«
    Der Legat hob den Arm, um einen Sklaven zu rufen, und
    das erregte die Aufmerksamkeit des Syrers. Eilig kam er um das Schwimmbecken herumgetrippelt, verbeugte sich vor
    uns, scharrte mit den Füßen und sagte: »Aha, Clarissimus Magister, Ihr habt gewartet, bis Ihr meine reizenden kleinen Knaben so sehen konntet, wie man sie sehen sollte: nackt, verlockend und unwiderstehlieh. Darf ich davon ausgehen, daß Ihr Euer erlauchtes Herz bereits an einen der Knaben verloren habt?«
    »Ja«, sagte der Legat kurz. Dem Sklaven, der vor ihm
    kniete, befahl er: »Den da!« Er zeigte auf den Jungen. Der Sklave holte das Kind aus dem Schwimmbecken.
    »Bravo!« rief Natquin und klatschte begeistert mit den Händen. »Der Legat hat wahrhaftig einen erlesenen
    Geschmack! Ausgerechnet den kleinen Becga, den ich gern für mich selbst behalten hätte. Er sieht fast aus wie ein Mädchen, nicht? Clarissimus, es wird mir das Herz brechen, mich von Becga trennen zu müssen. Doch Euer getreuer
    Diener wird Eure Wahl nicht beanstanden. Statt dessen
    werde ich in Bewunderung Eures trefflichen Geschmacks
    einen besonders günstigen Preis festsetzen...«
    »Schweig, du widerlicher Kuppler«, sagte der Legat
    barsch. »Ich kaufe ihn nicht, ich beschlagnahme ihn!«
    Der Syrer schnappte nach Luft und stammelte: »Quid?...
    Quidnam?...«
    »Im Krieg habe ich das Recht, kraft Sondervollmacht
    Privatbesitz zu konfiszieren. Ich beschlagnahme den
    Charismaten.«
    Der Junge stand nun triefend vor uns, und es war
    offensichtlich, daß derjenige, der ihn einst verstümmelt hatte, sehr kundig vorgegangen war. Dort, wo sich einst seine Geschlechtsteile befunden hatten, war nur noch ein
    Grübchen. Ängstlich starrte er uns an.
    »Nimm ihn mit und bleiche sein Haar«, befahl Wyrd dem
    Sklaven. »Der Legat sagt dir, wann es hell genug ist.«
    Nun ließen wir uns einölen, schwitzten im Dampfbad und lagen in

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