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Der Greif

Der Greif

Titel: Der Greif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Ritt brauchst du kein vollendeter Reiter zu sein. Im Schritt aus dem Lager und dann in
    schnellem Galopp zurück in die Stadt. Der Charismate
    Becga wird zuerst mit dir reiten und dann später hoffentlich der kleine Calidius.«
    »Wie sieht Euer Plan genau aus, Fräuja?«
    Wyrd kratzte sich den Bart.
    »Wir werden am Stadtrand im Stall des Schmieds warten, bis der Hunne wieder abzieht. Ich bat den Legaten, den Boten bis zum Einbruch der Dämmerung hinzuhalten - wenn er den Kerl nicht vorher umbringt. Dann folgen wir ihm in die Hrau Albos, wo immer er auch hinreiten mag.«
    Wir verbrachten fast den gesamten nächsten Tag in jenem Stall, weil wir und die Pferde bereits vor der Ankunft des Hunnen dort sein mußten, damit dieser während der Dauer seines Aufenthaltes in der Stadt kein verräterisches Treiben bemerkte und Verdacht schöpfte. Wie bei unserer Ankunft war ganz Basilia so still, als würden alle Bürger den Atem anhalten, und alle Straßen und Gassen waren wie
    ausgestorben.
    Wyrd, Fabius und ich unterhielten uns nur selten, und
    wenn, dann mit gedämpfter Stimme. Der Knabe Becga
    schwieg beharrlich; ich hatte ihn bis jetzt noch nie sprechen gehört.
    Fabius beklagte sich, sobald er den Mund aufmachte.
    Meist darüber, daß wir so wenige waren und keine richtige Streitmacht darstellten, und warum Wyrd denn nicht mehr und kräftigere Männer verlangt habe.
    »Bei Mithras«, murrte der Optio. »Nicht einmal meinen
    Schildknappen durfte ich mitnehmen. Wir sind nur zu zweit, ein Junge, ein Eunuche und ein zahmer Adler.«
    »Ich sage Euch nochmals«, antwortete Wyrd, »daß wir
    nicht angreifen, sondern uns einschmuggeln. Je weniger wir sind, desto besser. Und wenn Ihr denkt, daß Euer Rang
    nicht genügend respektiert wird, steht es Euch frei, Thorn als Euren Schildknappen zu betrachten.«
    Wyrd erwähnte gegenüber Fabius mit keinem Wort, daß er nicht einmal plante , seine Gemahlin zu retten.
    In der Zwischenzeit war ich sehr damit beschäftigt, das herrliche zu bewundern, das ich nun mein eigen nennen
    durfte. Es war ein muskulöser, junger, schwarzer Hengst mit einer weißen Blesse, aufmerksamem Blick und stolzer
    Haltung. Sein Name war Velox und versprach Schnelligkeit.
    Soweit ich erkennen konnte, hatte das Pferd nur einen
    einzigen körperlichen Mangel: eine Vertiefung an der
    unteren linken Seite des Halses, die aussah wie ein großes Grübchen. Als ich dies erwähnte, vergaß der Optio seinen Kummer lang genug, um herablassend zu sagen:
    »Unwissender Thorn. Dies Mal kennzeichnet ein Pferd, das großen Wert besitzt. Man nennt es den ›Daumendruck des Propheten‹. Welches Propheten weiß ich nicht, doch das Mal verheißt dir ein gutes Streitroß. Jedenfalls kommen alle unsere Pferde aus dem unübertrefflichen Stall der
    Kehailaner, aus den Wüsten Arabiens. Man sagt, daß die Kehailaner aus der Zeit von Baz stammen, dem Ur-Ur-Enkel von Noah.«
    Ich war gebührend davon beeindruckt, ein Pferd von solch alter Rasse zu besitzen, und ich wollte dies gerade zum Ausdruck bringen, als Wyrd uns mit einer Geste zum
    Schweigen brachte. Er saß geduckt vor den Brettern der Stallwand und spähte durch eine Ritze. Dann hörten auch wir das ferne, doch schnell näherkommende Geräusch von Pferdehufen auf der schlammigen Straße. Ein sehr zottiges Pferd kam in unser Blickfeld. Es war viel kleiner als unsere.
    »Gehört zur dreckigen Zucht der Zhmud«, murmelte Fabius abfällig, und abermals gebot ihm Wyrd zu schweigen.
    Ich war mehr am Reiter interessiert, denn ich hatte noch nie einen Hunnen gesehen. Dieser hier war wie sein Pferd kleiner als die Goten, sogar kleiner als ich, und abstoßend häßlich. Sein Gesicht war von gelblichbrauner Farbe, sein Haar lang und fettig, er hatte Schlitzaugen und trug keinen Vollbart, sondern nur einer dünnen, strähnigen Schnurrbart.
    So häßlich er auch war, er saß wie angewachsen auf
    seinem Pferd, als ob er damit geboren wäre, und seine
    Beine waren so gebogen, daß sie sich vollkommen dem
    Pferdeleib anpaßten. Wie zuvor der kleine Becga war auch der Hunne in Lumpen gehüllt, und sein Pferd war mager.
    Der Mann trug denselben Bogen wie Wyrd, nur war seiner nicht gespannt, und er hielt ihn hoch, weil um seine Spitze gut sichtbar ein dreckiges, weißes Tuch geschlungen war.
    Fabius stand neben mir, und während der Hunne
    vorüberzog, konnte ich fühlen, wie er bebte. Der Charismate Becga jedoch, dem noch niemand gesagt hatte, daß dieser oder ein anderer Hunne womöglich bald

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