Der Greif
würdest. Was das Risiko angeht, sein Leben und unsere Familie aufs Spiel zu setzen, so habe ich dir bereits gesagt, daß Fabius sowieso nicht mehr leben will, wenn dieses Unternehmen scheitert. Laß ihn daran
teilnehmen und gib ihm die Chance, durch ein anderes
Schwert zu sterben als sein eigenes.«
Wyrd rollte mit den Augen. »Ich erinnere mich, daß Fabius ein tapferer Bursche war. Darf ich mich davon überzeugen, daß er es noch ist?«
Der Legat befahl einem Diener, seinen Sohn zu holen,
aber ohne ihm die Fesseln abzunehmen. Wir waren gerade mit dem Nachtisch fertig, als wir das Geklirr von Rüstungen und das Getrampel vieler Schritte hörten. Einen Augenblick später erschien ein junger Mann in der Tür, unverkennbar der Sohn des Legaten. Er war zur Schlacht gerüstet und trug den Helm unter dem einen Arm, den Helmbusch unter dem
anderen, doch an den Handgelenken hatte er Handschellen, und an den Handschellen hingen Ketten, die von zwei
Soldaten mit festem Griff gehalten wurden.
»Salve, Optio Fabius«, begrüßte Wyrd ihn freundlich.
»Uiridus?« fragte der junge Mann ungläubig, vielleicht, weil er Wyrd nie zuvor sauber und gebadet gesehen hatte.
»Salve, Uiridus. Was tust du hier?«
»Mein Begleiter Thorn und ich bereiten ein Unternehmen gegen die Hunnen vor, die deine Frau und deinen Sohn
festhalten. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß wir alle dabei sterben. Doch dein Vater hat gesagt, du möchtest vielleicht mit uns sterben.«
»Vielleicht?« keuchte Fabius hervor. »Ich verbiete euch, ohne mich zu gehen!«
»Ich werde dein Anführer sein. Du mußt jedem meiner
Befehle...«
»Kein Wort mehr, Uiridus!« rief Fabius. Mit einem Ruck riß er die Ketten hoch, so daß die Wachen neben ihm fast
umfielen, steckte den ausladenden Helmbusch aus Roßhaar auf seinen Helm und stülpte sich den Helm auf. »Offizier Fabius von der elften Legion zum Abmarsch bereit!«
»Jesus«, murmelte Wyrd halblaut, »das ist mir ein
römischer Soldat.« Und mit beißender Ironie sagte er zu dem jungen Mann: »Und du hast keine Trompete dabei, um zum Abmarsch zu blasen? Geh jetzt, Dummkopf, und leg
deinen Putz ab. Morgen ziehst du dich so an wie wir. Ich lasse dich rechtzeitig rufen.«
Die Wachen wollten Fabius abführen, doch er wehrte sich energisch und wollte sich umdrehen. »Was hast du vor,
Uiridus?« rief er. »Wie werden wir angreifen? Wie viele Männer...?«
So ging es noch eine Weile weiter, doch weder Wyrd noch der Legat beantworteten seine Fragen, und bald verlor sich seine Stimme in der Ferne.
7
Als ich wieder in der Kaserne angekommen war, fütterte ich meinen Juikabloth mit Speiseresten und kleinen
Stückchen Schinken, die von unserer Mahlzeit übrig
geblieben waren, und die Charismaten scharten sich um uns und zwitscherten selbst wie die Vögel.
Ich war gerade damit beschäftigt, unsere Bündel zu
entrollen, als Wyrd eintrat. Er trug etliche Gegenstände unter dem Arm und ließ eine Tasche aus Waschleder auf seine
Bettstatt fallen. Sie gab einen klirrenden Laut von sich.
»So schnell habe ich meine Felle noch nie verkauft. Noch dazu habe ich jeden Preis bekommen, den ich verlangte.
Und Calidius kaufte alles, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Außerdem bezahlte er einen guten Preis für die Steinbockhörner. Ich würde mich über diesen Überfluß ja wirklich freuen, wenn ich mir nur sicher wäre, daß wir überleben und unser Vergnügen daran haben werden.«
Er ließ die anderen Dinge fallen, die er trug.
»Der Legat hat uns auch Gaben überreicht, die wir
behalten können, falls wir überleben. Ein Gladiatorenschwert für dich und eine Streitaxt für mich. Beides in schönen, schaffellgefütterten Scheiden, damit die Öle des Vlieses ein Rosten der Klinge verhindern. Und, weil wir vielleicht lange auf der Lauer werden liegen müssen, ist für jeden von uns noch eine Feldflasche aus Zinn mit dabei, lederbezogen und innen verharzt, damit das Wasser kalt bleibt und auch nach langer Zeit kühl ist.«
»Ich habe noch nie so feine Dinge besessen«, sagte ich.
»Außerdem erhältst du vom Legaten ein eigenes Pferd.«
»Ein eigenes Pferd? Für immer?«
»Ja. Der Hunne kommt zu Pferd, und zu Pferd werden wir ihn auch verfolgen. Das könnten wir zwar besser zu Fuß, doch es kann sein, daß wir uns auf dem Weg zurück beeilen müssen wenn wir zurückkommen. Hast du jemals auf einem Pferd gesessen, Junge?«
»Nur auf unserem alten Gaul in der Abtei.«
»Das reicht. Für diesen
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