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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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Stiefel – gutes Schuhwerk, das über die Knöchel reichte und Stickereien an den oberen Rändern aufwies – waren zweifellos ruiniert. Sie hoffte, dass sie noch eine kurze Zeit lang durchhielten; zumindest einen Tag, bis sie das Haus ihres Vaters in Kames erreichte. Sie wusste nicht, was sie dort wohl vorfand. Im Grunde rechnete sie nicht mit einer herzlichen Begrüßung oder auch mit nennenswerter Sicherheit, wenn sie bedachte, wie unerwartet entschlossen sich Tans Feinde zeigten. Sie dachte jedoch, dass sie zumindest auf trockene Stiefel hoffen konnte.
    Jetzt, wo sie allein war und einigermaßen sicher, fand sie Zeit zum Nachdenken – zu viel Zeit und viel zu viel Einsamkeit für den Frieden des Geistes.
    Sie fragte sich, wo die Königin und ihr Gefolge inzwischen waren. In Sihannas in Sicherheit? Sie fragte sich, wie es Tan erging. Wie viel Vorsprung hatte er vor ihr? Fand er wohl das Haus ihres Vaters – und war er dort in Sicherheit, bis sie eintraf? War sie selbst in Sicherheit, bis sie dort eintraf?
    Falls ihr ein Linulariner Magier auf den Fersen war, verfügte er wahrscheinlich im Unterschied zu Maianthe über eine gute Ausbildung in der Zauberkunst. Nur mit Hartnäckigkeit und Glück war es ihr gelungen, sich aus der seltsamen Zauberfalle in Tiefenau zu befreien; und mit noch mehr Glück hatte sie es später vermeiden können, in die Hände der Linulariner zu fallen, als sie von jenem Dach purzelte. Sie hoffte, dass es den Wachmännern gut ging, die sie zurückgelassen hatte. Sie wusste nicht genug, um spekulieren zu können, ob die beiden vielleicht entkommen waren oder ob die Linulariner Soldaten womöglich denjenigen verschont hatten, der sich ihnen in den Weg gestellt hatte, um Maianthe die Flucht zu ermöglichen.
    Wo steckte derzeit wohl der Linulariner Magier?, fragte sie sich. Sobald ihr diese Frage in den Sinn kam, war sie überzeugt, dass er in der Nähe war – dass er ihr viel zu nahe war: lediglich außer Sicht, wahrscheinlich am Saum des dichten Unterholzes am anderen Ufer des Flüsschens versteckt, von wo aus er sie im Auge behielt. Sich zu sagen, dass dies unwahrscheinlich war, ja nahezu unmöglich, half kein bisschen. Sie stand auf und blickte forschend über den kleinen Fluss hinweg, entdeckte jedoch nichts. Vögel riefen: lang gezogenes, fließendes Trällern und klapperndes Schwirren und ein süßes Dreitonlied, das sich anhörte, als riefe jemand: »Mo-cke-lie, mo-cke-lie!«
    Allmählich wurde Maianthe klar, dass niemand dort steckte. Die Vögel würden nicht so munter singen, hätte dort jemand gelauert – und das tat ohnehin niemand. Ein Linulariner Magier hätte sie wohl kaum auf eigene Faust verfolgt und sich dann im Gebüsch versteckt, um sie im Auge zu behalten. Wie albern es von ihr gewesen war, sich das vorzustellen! Die Überzeugung, er wäre dort, schwand … war augenblicklich verschwunden; und Maianthe erinnerte sich nicht mal mehr daran, wie es gewesen war, so überzeugt zu sein. Welch alberne Gewissheit! Kein Magier schlich auf eigene Faust durch die Gegend, und sie hätte es kaum überhören können, wenn ihr eine ganze Linulariner Kompanie durch die Sümpfe nachgetrampelt wäre. Und der Linulariner Magier konnte, wer immer er war, nicht wirklich sehr mächtig sein; ansonsten hätte Maianthe es nie geschafft, den Rückweg aus der magischen Spiralfalle zu finden.
    Sie hatte nichts zu befürchten. Jeder vernünftige Mensch konnte erkennen, dass man in den Sümpfen nichts zu fürchten brauchte, wie dunstig auch immer sie waren – auch nicht an diesem klaren Frühlingsmorgen, egal wie kalt oder ungemütlich es war. Sie erklärte sich das mit Entschiedenheit, und während sie einen letzten unbehaglichen Blick nach Westen warf, stiegdie Sonne über die Bäume und wurde der Mond vor dem heller werdenden Himmel blass und durchscheinend. Der helle Tag war angebrochen. Endlich. Die letzten Reste Nervosität schwanden von Maianthe wie Nebelschwaden unter der Sonne. Sie erhob sich steif, und da sie nichts Geeigneteres zur Hand hatte, rieb sie dem Pferd die Beine mit rauem Sumpfgras ab. Das Tier hatte eigentlich mehr verdient als schlammiges Gras und ein müdes Tätscheln, aber sie hatte kein Korn zur Hand. Zumindest schien ihr Reittier keine ernsten Schnitte oder Prellungen erlitten zu haben.
    Sie erblickte keine Spur von Verfolgern … keinen Hinweis darauf, dass irgendein Linulariner auf der großen weiten Welt jemals die Grenzen seines Landes nach Farabiand

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