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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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der schmalen Gasse auf.
    »Nein!«, rief Maianthe, die wusste, dass der Soldat die Linulariner Soldaten gerade lange genug aufhalten wollte, damit Maianthe entkommen konnte. Und ebenso wusste sie, dass es ihn das Leben kosten würde, wenn er kämpfte. »Nein!«, rief sie erneut. »Kämpft nicht gegen sie!« Dann warf sie sich herum und rannte den Weg zurück, den sie gekommen waren, wobei sie hoffte, dass sich der Wachmann ergab, wenn sie erst mal entkommen war. Sie wusste, dass er auf jeden Fall kämpfen würde, wenn sie blieb, und ohnehin wollte sie vermeiden, selbst in die Hände der Linulariner zu fallen.
    Hinter ihr klirrten Schwerter. Vor ihr bot die Dunkelheit keine Sicherheit – Sicherheit existierte nirgendwo –, wohl aber ein gewisses Maß an Tarnung, zumindest bis sie auf eine weitere Einheit Linulariner Soldaten stieß. Sie hielt nach einer Möglichkeit Ausschau, die Gasse zu verlassen und sich seitlich zu verdrücken. Sie erprobte eine Tür und dann eine weitere, aber beide waren abgeschlossen, und niemand kam, als sie gegen sie hämmerte. Jeden Augenblick fürchtete sie, Lampenlicht auf den bemalten Holzbalken der Häuser und auf den feuchten Pflastersteinen schimmern zu sehen oder zu hören, wie sich Soldatennäherten. Über ihr glitt das Mondlicht über die Dachschindeln.
    Weiter voraus hörte Maianthe Stiefelschritte auf dem Kopfsteinpflaster. Licht schimmerte matt, noch nicht ganz nahe, aber näher kommend. Hinter sich, da war sie fast sicher, hörte sie ebenfalls herannahende Schritte. Sie blieb stehen, blickte sich kurz um und sprang hoch, um eine Fensterbank zu packen. Die Fensterläden waren geschlossen, aber es gelang ihr, einen Fuß auf den Griff der Haustür zu setzen und sich weiter in die Höhe zu ziehen. Die Fensterbank bot ihr die nächste Trittmöglichkeit. Sie bemühte sich angestrengt, jeden Gedanken an einen Sturz zu verdrängen – dabei würde sie sich den Knöchel auf dem Pflaster brechen und dann eine leichte Beute für ihre Verfolger sein. Das Mondlicht zeigte ihr Details des Obergeschosses, aber es würde auch gnadenlos jedem Maianthe präsentieren, der von unten einen Blick dorthin warf. Die Fensterläden oben waren ebenfalls geschlossen, doch neben dem Balkon entdeckte sie ein Gitter mit Ranken. Die Ranken konnten Maianthes Gewicht unmöglich tragen, aber vielleicht das Spalier, wie sie glaubte. Außerdem fand sie ohnehin nirgendwo sonst Tritt.
    Unter ihr näherten sich die beiden Trupps einander aus entgegengesetzten Richtungen. Sie würden sich fast direkt unterhalb von Maianthes Position begegnen – und wie lange dauerte es dann wohl, bis jemand aufblickte? Maianthe vertraute ihr Gewicht behutsam dem Spalier an. Süßer Blütenduft stieg rings um sie auf, als sie dabei Weinranken zerdrückte. Ihr schien es, als könnte allein dieser Duft jemandes Blick anlocken, und in der heutigen klaren Nacht bestand keine Hoffnung darauf, dass Wolken den Mond verdeckten. Maianthe war bemüht, kein Geräusch zu machen, während sie sich nach oben zog: zuerst eine Hand und dann ein Knie auf das Balkongeländer – dieses hatte robuster ausgesehen, bevor sie darauf hatte balancieren müssen.Sie legte eine Hand flach auf das raue Holz, griff mit der anderen Hand nach oben und tastete an der Dachkante entlang.
    Unter ihr stieß jemand plötzlich einen Ruf aus.
    Maianthe blickte nicht hinab. Sie war erkennbar eine Frau. Ob die Soldaten wohl auf eine Frau schossen, von der sie nicht mal wussten, wer sie war? Oder wenn ein Magier in ihren Reihen war, wusste er dann wohl, wer sie war? Dann schossen sie womöglich – oder kletterten ihr einfach nach … Wahrscheinlich fand ein Soldat diesen Anstieg überhaupt nicht schwierig. Maianthe packte mit beiden Händen die Dachkante und strampelte, um den Fuß auf die oberste Leiste des Rankgitters zu setzen. Einen übelkeiterregenden Augenblick lang fürchtete sie, den Halt zu verlieren und abzustürzen. Die Arme zitterten vor Anstrengung. Dann hatte sie endlich den richtigen Tritt für den Fuß, stieß sich kräftig ab, wuchtete sich hoch und konnte sich aufs Dach ziehen.
    Die Dachschindeln waren rutschiger, als Maianthe erwartet hatte. Sie erklomm die Dachschräge so schnell, wie sie es zu wagen glaubte, überquerte den First und kletterte auf der anderen Seite hinab. Hinter sich hörte sie, wie Soldaten ihr nachkletterten, wozu sich ein lautes, reißendes Geräusch gesellte, als – wie sie vermutete – das Rankgerüst unter deren

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