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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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überschritten hatte. Nachdem die Furcht von vorhin sich gelegt hatte, fiel es Maianthe sogar schwer zu glauben, dass Linulariner Soldaten überhaupt den Sierhanan überschritten hatten. Sie hatte das Gefühl, die Ereignisse der zurückliegenden Nacht vermutlich geträumt zu haben. Sie dachte, sie würde jetzt vielleicht jeden Augenblick erwachen und sich im eigenen Zimmer wiederfinden, während Fliederduftlampen im fahlen Licht der frühen Dämmerung glommen und die leisen Geräusche des erwachenden Haushalts Maianthe umgaben. Es fiel ihr schwer zu glauben, sie wäre schon wach, sie steckte wirklich in Kälte und Schlamm und lechzte verzweifelt nach heißem Wasser und Seife und Tee, während das große Haus Meilen und abermals Meilen weit hinter ihr lag.
    Aber ach! Keine Magd rief ihren Namen, und weder heißes Wasser noch Seife, noch Tee tauchten auf. Nur das Pferd bewegte sich unruhig über die feuchten Erhebungen aus Schlamm und Gras, und die Hufe zermalmten den Bodenstreu des Winters und hinterließen tiefe Spuren im schlammigen Boden. Maianthe seufzte, rappelte sich auf – wobei ihre Gelenke knirschten – und ging nachsehen, ob die Satteltaschen vielleicht ein wenig Trockenbrot enthielten.
    Brot fand sie nicht, wohl aber einen Stoffbeutel mit getrockneten Äpfeln und einen weiteren mit zähem Trockenfleisch. Maianthe verspeiste das Fleisch und fütterte das Pferd mit den Äpfeln, und danach fühlte sie sich viel munterer. Das Pferd, ein großer Rotfuchs, der aussah, als hätte er auch Deltablut in den Adern, kippte die Ohren nach vorn und schien ebenfalls ein wenig zufriedener über diesen Morgen zu sein – sogar als sich Maianthe die nassen Stiefel anzog, das Feuer austrat und sich unbeholfen in den Sattel wuchtete, denn ihr standen weder ein Aufsitzblock noch die hilfreichen Hände eines Stallknechts zur Verfügung.
    Das Pferd suchte sich langsam einen Weg zwischen Bäumen mit dicken Stämmen, die nie das Schlagen einer Axt erlebt zu haben schienen, und knabberte unterwegs an Blättern und an Gräsern, die auf sonnigen Lichtungen wuchsen. Während das Pferd vielleicht ein Frühstück aus Blättern ausreichend fand, stellte Maianthe fest, dass sie das verspeiste Trockenfleisch nicht als adäquate Morgenmahlzeit empfand, um sich dem langen Tag zu stellen. Obendrein scheuerten ihre Füße in den klammen Stiefeln.
    Es war alles ziemlich entmutigend.
    Maianthe hielt sich so weit wie möglich an Bodenerhöhungen, die jeweils eine kurze, wunderbare Erholung vom Schlamm der tiefer gelegenen Stellen boten. Ihre Stiefel trockneten endlich, aber an einigen der unvermeidlich sumpfigeren Stellen stieg dem Pferd das Wasser bis an die Brust. Maianthe nahm dann die Füße aus den Steigbügeln und zog sie an. Sie ritt stur weiter nach Osten, bis sie endlich aus den Schatten des Sumpflandes hervorkam, eine letzte Böschung hinab auf die feste Oberfläche einer echten Straße ritt und sich vor ihr im strahlenden Lichtdes klaren Nachmittags die breite braune Fläche des unteren Sierhanan-Nebenarms ausbreitete.
    Sie ermunterte das Pferd zum Trab. Es wollte jedoch nicht, legte die Ohren an und tänzelte seitwärts, wenn sie es antreiben wollte. Nach der letzten Nacht und dem Tag, die sie hinter sich hatten, konnte Maianthe dem Tier kaum einen Vorwurf daraus machen. Das Pferd war jedoch gut genug gelaunt, um größere Schritte zu machen und eine rasche, schwingende Gangart anzuschlagen, die fast an einen Trab heranreichte: jene Gangart, die Deltapferde als Pflugtiere so begehrt machte. Das war schnell genug. Maianthe wollte ohnehin lieber nicht von einem echten Trab durchgerüttelt werden.
    Die festgepackte Erde der Straße zeigte reichlich Hufspuren und die Furchen von Wagen- und Karrenrädern, und Maianthe übte in Gedanken, was sie erschrockenen Menschen sagen konnte, an denen sie vielleicht vorbeikam. Sie brauchte eine Erklärung, warum sie allein ritt und so dreckig und ungepflegt aussah: Ich konnte mit knapper Not vor den Linulariner Soldaten aus Tiefenau flüchten   … Ich musste die Sümpfe durchqueren. Absolut wahr, und doch hatte sie das Gefühl, dass sie nicht erklären konnte, was sich zugetragen hatte und was vielleicht noch immer geschah. Sie malte sich aus, wie Kaufleute oder Bauern die Augen verdrehten: Von Linulariner Magiern aus Tiefenau verjagt, nicht wahr? Maianthe wusste: Sie brachte einfach nicht die Fertigkeit mit, irgendjemandem diese Art Geschichte glaubhaft zu machen. Besonders nicht, wo doch ihr

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