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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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lagen.
    Schließlich sagte Bertaud etwas – sein Tonfall war dabei flach, so sehr musste er sich anstrengen, um seine Gefühle zu beherrschen. »Tastairiane Apailika ist nicht dabei.«
    »Sollte der Wall bersten, kommt er, da bin ich sicher«, erwiderte Jos. Er achtete auf einen lässigen, trockenen, ausdrucksarmen Tonfall.
    Trotzdem musste etwas in seinen Worten mitgeklungen haben, das Bertaud aufmerksam machte, denn der Fürst wandte ihm das Gesicht zu und warf ihm einen scharfen und endlich doch interessierten Blick zu. Er sagte jedoch nur: »Davon bin ich überzeugt. Wenn er es tut …« Dann verstummte er wieder und brachte seinen Gedanken nicht zu Ende. Vielmehr wandte er sich ab, hob seinen mit Pelz gefütterten Mantel auf und ging zur Tür. Einen Augenblick lang hantierte er am kalten Eisen des Riegels und dem steifen Leder der Scharniere herum, stieß dann die Tür auf und ging hinaus ins kalte Morgenlicht.
    Jos folgte ihm, auch wenn sein Mantel nicht annähernd so gut war. Er traf Fürst Bertaud mitten auf der Wiese stehend an, wo er mit finsterer Miene durch die strahlend kalte Luft zum fernen Wall blickte. Er hatte die Arme verschränkt. Ungeachtet seines abweisenden Gesichts und des festen Standes erweckte er bei Jos weniger den Eindruck von Aggressivität; er schien vielmehr eine abwehrende, ja zögernde Einstellung zu haben. Als Bertaud jedoch das Wort ergriff, klang er überhaupt nicht zögerlich, sondern scharf und befehlend – in jeder Hinsicht der höfische Fürst.
    Er wandte sich allerdings nicht an Jos. Vielmehr rief er in die kristallene Stille des Hochgebirges: »Kairaithin!«
    Und sofort, als hätte der Greif nur auf diesen Ruf gewartet, formte sich über der Wiese der verschwommene Eindruck von Feuer. Anasakuse Sipiike Kairaithin trat aus Feuer und Luft und der durchdringenden Bergesstille hervor. In diesem ersten Augenblick erschien er in seiner wahren Gestalt: wilder schwarzer Adlerkopf, Hals und Brust gefiedert, rotes Löwenhinterteil mit schwarzen Klauen, feurige Dunkelheit aus den Augen lodernd. Dann schlug er einmal mit den Schwingen und verstreute Feuer in der Luft, ehe er die Schwingen um sich faltete wie einen Mantel, sich aufrichtete und dann zur Gestalt eines Menschen schrumpfte. Die schwarzen Augen, deren Blick sich auf die beiden Männer richtete, waren jedoch unverändert und wirkten im Menschengesicht seltsam und verstörend. Sein gewaltiger geflügelter Schatten erstreckte sich hinter ihm und zeigte dieselben feurig schwarzen Augen.
    Er erklärte in undeutbarem Ton: »Ich bin hier.«
    Fürst Bertaud reagierte mit einem unbehaglichen, kurzen Nicken. Jetzt, da der Greifenmagier gekommen war, schien der Fürst nicht zu wissen, was er sagen sollte.
    Jos trat vor, warf einen respektvollen Blick auf Fürst Bertaud und begrüßte den Greifen, indem er nickte. »Kairaithin«, sagte er und deutete den steilen, zerklüfteten Pass hinab zum Wall. »Was sollen wir tun? Sollen wir hinabsteigen und mit ihnen reden?«
    »Sie werden euch nicht hören«, antwortete der Greifenmagier mit seltsam trostloser Stimme. Er warf einen Blick auf Bertaud und hob ansatzweise eine Hand. Als er jedoch weitersprach, war es an Jos gerichtet. »Ich trage dich hinab, wenn du möchtest. Aber ein Tag des Blutes und des Feuers ist im Anzug, und ich sehe keine Möglichkeit, ihn zu verhindern. Nur die, ihn in die eine oder andere Richtung zu wenden. Ob er sich jedoch nun nach rechts oder links wendet, es wird in jedem Fall Blut und Feuer geben.«
    Jos wartete einen Augenblick lang, aber Fürst Bertaud ergriff nach wie vor nicht das Wort. Also fragte Jos: »Wenn dein König und die Feuermagier, die du ausgebildet hast, und dein ganzes Volk nach einem Wind rufen, der sie zu diesem Tag des Feuers trägt, warum solltest du dann den Wunsch haben, ihn abzuwenden?«
    Er erwartete zunächst nicht, dass Kairaithin ihm darauf antworten würde. Der Greifenmagier sah ihn nicht an, sondern blickte erneut auf Bertaud und dann zum Wall hinab. Schließlich erwiderte er: »Wenn das Volk von Feuer und Luft auf diesem Wind zu fliegen trachtet, wird es auf einen unerwartetenSturm stoßen, der alles vor sich herträgt. Sie glauben, dass allein die Erde brennen wird, aber Feuer und Erde werden gleichermaßen zerrissen werden.«
    Bertaud schwieg weiterhin, aber irgendwie stellte Jos fest, dass allein seine stille Gegenwart Aufmerksamkeit verlangte. Er blickte vom Mann zum Greifen und griff dann auf einen Kniff der Spione zurück,

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