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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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Nicht ohne den Wind, den ich heraufbeschworen habe. Nicht ohne Kes.« Er hielt erneut inne, diesmal ganz kurz, und korrigierte sich dann: »Keskainiane Raikaisipiike.«
    Bertaud blickte zum Bergpass hinüber. »Selbst jetzt fällt mir zu ihr kein anderer Name ein als Kes.«
    Jos hätte gern darauf erwidert: Redet fünf Minuten lang mit ihr, und Ihr werdet Eure Meinung ändern. Er blieb jedoch still, denn er wollte nicht, dass einer der beiden anderen aufhörte zu reden.
    Außerdem verband sogar Jos, der vor gar nicht langer Zeit mit ihr gesprochen hatte, in Gedanken mit ihr weiterhin den Menschennamen, den sie selbst seit langer Zeit nicht mehr benutzte.
    »Wir gehen hinab«, erklärte Kairaithin, und nach diesen Worten versetzte er sie alle aus den hellen luftigen Höhen direkt hinab in die machtvolle Wüste.
    Im ersten Augenblick war die Hitze eine angenehme, ja erfreuliche Abwechslung. Jos stellte fest, dass seine tauben Fingerspitzen und die Ohren sofort auftauten. Er hatte beinahe vergessen, wie es war, es richtig warm zu haben. Diese Wärme breitete sich in ihm aus, lockerte Muskeln in Rücken und Hals, sodass er sich entspannte und streckte und eine aufrechte Haltung einnahm.
    Aber nach diesem ersten Augenblick wurde die Wüstenhitze schnell zu stark und dann überwältigend. Der rote Sand war förmlich lebendig von zierlichen Flammen, die bei jeder Bewegung aufstiegen und wieder zurücksanken wie Wasser. In der Luft funkelten nicht nur rote Staubkörner, sondern auch Funken, die wie goldene Flecken zu Boden sanken. Der Wind war heiß, sandig und knochentrocken. Das Sonnenlicht selbst war hier anders beschaffen als im Land der Erde: Es hämmerte ehern und schwer auf sie ein.
    Kes wandte sich um. Die jungen Greifenmagier taten es ihr nach: Opailikiita Sehanaka Kiistaike, so beständig gut aufgelegt, wie es ein Greif nur sein konnte. Das satte Braun ihres Gefieders war mit Gold gesprenkelt, und sie war schlank und schön. Einen Schritt hinter ihr war Ashairiikiu Ruuanse Tekainiike, von dunklem Bronze und Gold, die Augen strahlend golden. In seinem Temperament war er wesentlich weniger vorhersagbar.
    Kes selbst wirkte sogar noch weniger menschlich als Kairaithin, denn wo der Greifenmagier aus Gründen der Maskierung und Zweckmäßigkeit absichtlich Menschengestalt annahm, unternahm Kes gar keinen Versuch, sich als Mensch auszugeben. Nur ihre Umrisse waren die eines Menschen. Sie schien aus Weißgold, Alabaster und Porzellan zu bestehen; sie leuchtete von innen heraus, als strömte weißes Feuer in ihren Adern. Vielleicht traf das sogar zu. Feuer füllte ihre Hände und strömte ihr an den Armen herab. Ihr Haar verstreute blasse Flammen, als sie sich umdrehte und die drei Neuankömmlingeansah. Feuer glomm in ihren Augen: ein bleiches, strahlendes und entsetzliches Feuer. Der auf den roten Sand fallende Schatten glich wie ihre Augen geschmolzenem Metall.
    Sie zeigte ein Lächeln – ein Gesichtsausdruck, an dem nichts Menschliches war. Sie schien glücklich und freudig zu sein, aber es war eine gefährliche Freude, die nichts von gewöhnlicher Zuneigung oder Freundlichkeit enthielt. »Jos!«, rief sie und trat vor, um seine Hände zu ergreifen.
    Jos fühlte sich absurd geschmeichelt, weil sie ihn als Ersten ansprach, auf ihn zutrat und ihn begrüßte, ehe sie auch nur Kairaithin zur Kenntnis nahm, von Bertaud ganz zu schweigen. Obwohl er wusste, dass sie ihn zuerst anredete, um Kairaithin mit Bedacht zu beleidigen, obwohl er wusste, dass sie inzwischen ihre Iskarianere unter den Greifen hatte und niemals an ihn dachte, konnte er nicht umhin, die Freude in ihrem Tonfall als schmeichelhaft zu empfinden. Er wich jedoch zurück, als sie auf ihn zukam. Er tat es automatisch, denn das Feuer, das Kes erfüllte und jetzt so entfesselt war, hätte ihn bis auf die Knochen verbrannt; und sie hatte das eindeutig vergessen.
    Sie bemerkte es einen Augenblick nach ihm und blieb stehen. Das weiße Feuer, das so hell in ihr loderte, verblasste zwar nicht ganz, wurde aber schwächer und schwächer, bis man neben ihr stehen konnte, ohne das Gefühl zu haben, das man direkt neben einem Ofen war. Sie streckte erneut die Hände aus. Diesmal ließ Jos zu, dass sie seine Hände ergriff. Ihre Finger fühlten sich in seinem Griff nicht mehr richtig menschlich an; sie waren schmal und anmutig, wie er es in Erinnerung hatte, aber er hatte die Empfindung, als hielte er die Hände einer Alabasterlampe in Gestalt einer Frau.
    Erneut sagte sie,

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