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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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    Bertaud öfnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas zu sagen. Selbstverständlich sehnte er sich danach, ein schnelles Pferd zu nehmen und mit so vielen Männern, wie der König ihm zu geben bereit war, so schnell wie möglich nach Süden zu reiten. Jos dachte jedoch, dass Bertaud noch deutlicher vor Augen stand, wie nötig er hier gebraucht wurde, wenn der Wall oberhalb des Niambesees barst: dass er hier, genau hier, gebraucht wurde, wo die Greifen aus dem schmalen Pass zum Vorschein kommen und am See vorbeiziehen mussten. Er konnte also auf keinen Fall nach Süden reiten – nicht einmal, wenn sein Stolz durch diese außerordentliche Linulariner Kränkung aufs Äußerste verletzt war, nicht einmal, wenn er eine Frau und ein Dutzend Kinder in Tiefenau gehabt hätte, und schon gar nicht, wenn die wirkungsvollste Geisel in diesem Krieg eine Cousine war. Und mit Vettern und Cousinen war der Fürst des Deltas, wie man sich erzählte, reich gesegnet.
    »Verstehe ich es richtig, dass du keine guten Nachrichten überbringst?«, fragte Iaor und musterte Bertaud aus schmalen Augen. »Unterrichte mich, mein alter Freund, und dann erörtern wir, was wir am besten unternehmen.«
    Fürst Bertaud holte langsam Luft. Tat es erneut.
    Jos hätte am liebsten gesagt: Ihr könnt auf keinen Fall nach Süden ziehen! Aber Bertaud hätte einen Ratschlag, den er schonkannte, vermutlich nicht begrüßt, ebenso wenig Jos’ Kühnheit, einen solchen Rat vorzutragen. Also schwieg Jos.
    »Wenn du mir gestattest«, sagte Bertaud schließlich. »Ja, schicke Naithe und die Mädchen nach Tiearanan. Dann solltest du, mein König, so viele Truppen sammeln wie möglich und selbst nach Süden reiten. Sorge für das Delta. Weise Kohorrian in seine Schranken. Doch lass eine kleine Truppe hier bei mir zurück. Sollte der Wall bersten und sollten die Greifen über den Pass kommen – Ersteres wird wohl geschehen, und das Zweite ist dann sehr gut möglich … In einem solchen Notfall, mein König, solltest du mir zutrauen, sie abzuwehren, mit allem an Bundesgenossen, die ich nur gewinnen kann. Wenn ich die Greifen nicht abwehren kann, dann kann es niemand, und somit wären deine Truppen dann besser anderswo beschäftigt.«
    Nach dem leeren Gesicht des Königs zu urteilen, war das kein Rat, den er erwartet hätte. Er erwiderte Bertauds Blick stumm. Etwas war da zwischen ihnen, vermutete Jos, und zwar etwas Schwieriges, woran dieser Augenblick sie beide erinnerte. Keiner von beiden sprach jedoch davon. Schließlich fragte der König nur: »Soll ich deinem Urteil in dieser Frage vertrauen? Vertraust du in dieser Frage dem eigenen Urteil?«
    »Ja«, antwortete Bertaud in flachem Ton. »Wie ich dich bitte, es zu tun, mein König.«
    »Ah.« Der Blick des Königs schweifte über die Landkarten und senkte sich schließlich auf die nächstliegende. Dann sah er wieder auf und schaute Jos zweifelnd an.
    »Ich vertraue ihm«, sagte Bertaud. Er bot keine Erklärung für diese Einschätzung an, wie er es schon bei diesem ganzen Gestrüpp aus Andeutungen und Halbwahrheiten nicht getan hatte.
    Der König verlangte jedoch auch keine. Er nickte nur und warf erneut einen Blick auf die nächstliegende Karte. Dann saher auf. »Meine Generäle …« – er deutete mit dem Kopf nach rechts und links auf die ernsten, stillen Männer in seiner Begleitung – »... sammeln seit gestern Soldaten. Sie können übermorgen aufbrechen oder vielleicht einen Tag später. Vielleicht mit mir, vielleicht mit dir, vielleicht mit keinem von uns. Ich möchte erst mehr Einzelheiten erfahren, was du über den Wall und die Greifen herausgefunden hast. Wir sollten auch beide noch auf weitere Nachrichten aus dem Süden warten. Dann entscheiden wir zur rechten Zeit, was wir tun.«
    »Mein König, ich wünsche nur das, was auch deinen Wünschen entspricht«, sagte Fürst Bertaud förmlich und verneigte sich.
    Jos war jetzt schon überzeugt, dass ungeachtet der Wünsche des Königs und seiner Prioritäten die Entscheidung letztlich lauten würde, dass sich Bertaud jedem Greifenangriff über den nördlichen Pass in den Weg stellte. Es war unverzichtbar, dass eine solche Entscheidung fiel, und so würde Fürst Bertaud alles Nötige sagen und alles Nötige ins Werk setzen, um dafür zu sorgen.
    Jos war jedoch auch überzeugt, dass ein schlechter Ausgang der Dinge durchaus im Bereich des Möglichen war, egal was Menschen und Könige der Menschen arrangierten – es sei

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