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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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Er erinnerte sich noch, wenngleich nicht ohne Mühe, an dasschüchterne, anmutige Mädchen, das jeder Gesellschaft – außer seiner – abhold gewesen war und gern barfuß über Hügel lief. Er schloss die Augen, um ihr Bild besser vor dem inneren Auge halten zu können.
    »Nein!«, blaffte Bertaud.
    Jos öffnete die Augen.
    Der Greifenmagier hatte innegehalten, die Hand nur halb gehoben. Er blickte Bertaud an.
    »Er wird es nicht weitererzählen.« Bertaud hatte keinen Blick für Jos, nur für Kairaithin. »Es ist nicht seine Schuld, dass er es bemerkt hat. Wir waren unachtsam … Ich war unachtsam. Er versteht sich jedoch darauf, Geheimnisse zu wahren, und er wird es niemandem berichten. Wem sollte er es schon berichten – und zu welchem Zweck?«
    »Er wird es von allen Dächern eurer Menschenstadt schreien! Zu jedem und in alle Windrichtungen wird er es rufen! Er wird das tun, um dich zum Handeln zu zwingen.«
    »Die Ereignisse werden mich zum Handeln zwingen! Sofern wir nicht eine andere Möglichkeit finden. Einen anderen Wind, der uns trägt. Nicht einen, der sich aus irgendetwas erhebt, was schon geschehen ist!«
    »Große Geheimnisse sind immer dann am sichersten, wenn niemand sie kennt – wie es jedem wohlvertraut ist, der sich mit Geheimnissen auskennt!«
    Jos konnte nicht ganz verhindern, dass er zusammenfuhr. Eine geraume Weile lang standen sie alle schweigsam da. Jos rührte sich kein bisschen. Er bemühte sich, nicht einmal zu atmen. Fürst Bertaud und der Greifenmagier funkelten sich jedoch gegenseitig an; vorläufig schienen beide ihn vergessen zu haben.
    Er ertappte sich dabei, wie er diese neue und erschreckende Erkenntnis in Gedanken drehte und wendete … Fürst Bertaudkonnte Greifen rufen und ihnen also befehlen, ihren Angriff einzustellen, nur wollte er das offenbar nicht tun. Denn sie würden niemals akzeptieren können, dass jemand ihnen Befehle erteilte: Wenn Jos sich nicht während des zurückliegenden Jahres so mit Greifen vertraut gemacht hätte, wäre ihm das nie klar geworden. Das Wissen, dass ein Mensch sie bei Fuß rufen konnte, hätte sie vernichtet. Und würde ihnen bewusst sein, dass ein Mensch ihnen befehlen konnte, wären sie vermutlich gar noch entschlossener, alles Land der Erde zu zerstören.
    Mehrere seltsame Bemerkungen von Bertaud und Kairaithin, die er nicht recht verstanden hatte, wurden ihm auf einmal klar.
    Unvermittelt sagte er, ohne vorher selbst zu ahnen, dass er reden würde: »Was, wenn Ihr Tastairiane direkt ruft? Was, wenn Ihr nur ihm demonstriert, welche Macht Ihr ausübt? Nein, besser noch, nicht nur eine Demonstration und eine Warnung: Was, wenn Ihr ihm einfach befehlen würdet, sich von diesem Wind abzuwenden, Kes anzuweisen, sie solle den Wall nicht mehr anrühren, und sein Volk in der eigenen Wüste zu belassen?«
    Sowohl Fürst Bertaud als auch Kairaithin drehten sich um und starrten ihn an. Jos bemühte sich, nicht zusammenzuzucken – er hatte nicht wirklich vorgehabt, sich wieder in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit beider zu bringen. Nur war ihm halt die Idee gerade in den Sinn gekommen … Wahrscheinlich hatte er das alles gar nicht richtig verstanden … Vermutlich bestand ein sehr guter Grund, warum das nicht funktioniert hätte …
    Bertaud fragte schließlich: »Kairaithin?«
    »Ein gefährlicher Wind«, antwortete der Greifenmagier, ohne ihn anzusehen. Vielmehr ruhte sein Blick auf Jos, aber jetzt lag wieder so etwas wie die gewohnte grimmige Macht in seinen feurigen schwarzen Augen. »Welchen Weg der Herr von Feuer und Luft beschreitet, darauf folgt ihm das Volk von Feuer und Luft.Wenn Tastairiane Apailika von Wut und Verzweiflung erfüllt ist, dann brennen Wut und Verzweiflung im ganzen Land des Feuers. Aber …«
    Bertaud sagte nichts. Jos dachte, dass er vermutlich bemüht war, nicht laut auszurufen: Nun, dann machen wir es doch so! Vielleicht aber auch nicht. Jos hatte viele Jahre lang in Farabiand gelebt, mehr als lange genug, um zu wissen, wie sehr es jemand, der ein Tier zu rufen verstand, zuwider war, diesem Tier irgendeinen Schaden zuzufügen. Wie viel stärker musste dieser gefühlsmäßige Widerwille sein, wenn man nicht Tiere befehligen konnte, sondern ein wildes und schönes Volk? Ein Volk, das sicherlich stürbe, wenn es erfuhr, dass es gebunden war – das dann entweder in gewaltsamem Widerstand oder einfach in entrüsteten Explosionen aus Feuer und Sand verging.
    »Aber kein König herrscht ewig«, gab Kairaithin zu

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