DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
denn, Kairaithin sagte und tat das Nötige, um ein privates Treffen zwischen Fürst Bertaud und Tastairiane sicherzustellen. Und das sollte schnell, wirklich schnell erfolgen – ehe der Wall bersten würde.
Kapitel 12
In seinem Leben als Geheimagent und sogar davor hatte Tan seinen Teil an Augenblicken des Schreckens erlebt. Seltsamerweise konnte er sich jedoch nicht entsinnen, jemals im Leben so viel Angst gehabt zu haben wie in dem Moment, als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel und er mit Maianthe in einem kleinen, privaten, behaglichen Zimmer zurückblieb, nur in Gesellschaft des eleganten casmantischen Edlen Beguchren Teshrichten und des hochgewachsenen Magiers Gerent Ensiken.
Es war absolut vernünftig für den Geheimagenten eines Landes, sich zu fürchten, wenn er einem anderen Land in die Hand fiel. Gewisse offenkundige Ereignisse entfalteten sich von einem solchen Augenblick an mit hoher Wahrscheinlichkeit. Diese Tatsache zu kennen erklärte jedoch Tans Angst nicht, und er wusste, dass es das nicht tat.
Maianthe hatte darauf bestanden, in seiner Nähe zu bleiben. Tan hielt dies für geradezu heldenhaft von ihr, weil es bedeutete, dass sie es aufschieben musste, ein Bad zu nehmen. Er hatte daran gedacht, sie zu überreden, dass sie mit der casmantischen Dame ging, wie es eindeutig dem Wunsch des Arobarn entsprach. Sich des Arobarn Wünschen zu fügen wäre vielleicht der taktisch klügere Kurs gewesen. Und obwohl sich Tan der Tiefe seines Bedürfnisses nach Maianthes Unterstützung schämte, war er doch zu dankbar für ihre Anwesenheit, als dass er versucht hätte, sie wegzuschicken.
Weil er sich neben seiner Angst auch noch schämte und zornig war, sagte Tan in scharfem Tonfall: »Nun, hoher HerrBeguchren, da kein Bedürfnis nach Täuschung besteht, sollen wir dann nicht Klartext reden? Ihr plant, meinen Verstand und mein Herz aufzustemmen und herauszufinden, was dort geschrieben steht. Ist es nicht so?«
Maianthe trat erschrocken einen Schritt vor, aber Fürst Beguchren widmete Tan nur ein leises, unerschütterliches Lächeln, neigte den Kopf leicht in Richtung eines Stuhls, der dicht vor einem breiten Kamin stand, und erwiderte sanft und in glattem, akzentfreiem Terheien: »Falls Ihr Euch setzen wollt, werden wir uns bemühen zu erfahren, ob das überhaupt nötig sein wird.«
Tan rührte sich nicht.
»Er fürchtet sich«, stellte der große Mann fest. Gerent Ensiken. Sein Ton war ganz nüchtern, gänzlich bar jeder Kritik. Ironisch fuhr er dann fort: »Ihr habt diese Wirkung auf einfache Menschen, mein Herr. Ich entsinne mich noch gut unserer ersten Begegnung.« Während er redete, arrangierte er die Stühle im Zimmer, sodass sie vor dem Kamin ein ordentliches Rechteck bildeten und hinter jedem Stuhl eine Porzellanlampe hing. Dann setzte er sich auf einen dieser Stühle und schlug mit allen Zeichen der Zufriedenheit die langen Beine übereinander. »Hochverehrte Dame, bitte?«, forderte er Maianthe auf und deutete auf einen der drei anderen Stühle. »Mein Fürst? Hochverehrter Herr?«, setzte er dann hinzu und deutete auf die restlichen.
Der weißhaarige casmantische Edle lächelte nicht direkt, wirkte aber trotzdem erheitert. Sanft sagte er: »Nun, aber ich war durch königlichen Befehl gezwungen, dir Angst einzujagen, Gerent.« Zugleich ging er zu dem angewiesenen Stuhl und setzte sich.
»Ihr habt mich noch sehr lange danach mit Entsetzen erfüllt«, offenbarte der Magier. »Ihr tut es nach wie vor.« Er klang nicht im Mindesten entsetzt. Sein Ton verriet eher warmherzige Zuneigung.
Tan wurde sehr deutlich, dass die beiden Männer, so verschieden sie auch wirkten, enge Freunde waren. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund fand er das beruhigend. Außerdem wollte er nicht Maianthe erschrecken, indem er ihr seine Angst zeigte.
Sie legte ihm zögernd die Hand auf den Arm. »Du solltest dich vermutlich setzen, denkst du nicht?«
Tans Knie machte sich schon ein wenig bemerkbar. Schwache, aber anhaltende Schmerzen hatten sich vom Knie aus im ganzen Bein ausgebreitet. Tan starrte einen Augenblick lang in Maianthes besorgtes, ernstes Gesicht und stellte dann fest, dass es ihm möglich war, fast nicht zu humpeln, als er zu dem angewiesenen Stuhl ging und sich setzte. Die Steifheit seiner Bewegungen hatte dabei nichts mit dem schlimmen Knie zu tun. Er verstand einfach nicht, warum es ihm nicht gelang, sich entspannt, liebenswürdig oder abgründig dumm zu geben … Schon so lange zog er eine Maske
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