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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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auf den zügellosen Höfling hin, an den sich Tan erinnerte. Für die Rolle, die er jetzt spielte, hatte er sich nicht die Mühe gemacht, die grauen Stellen in seinem Haar zu färben. Kein Wunder, dachte Tan, dass er es gewöhnlich getan hatte, denn das Silber an den Schläfen ließ ihn nicht nur älter, sondern auch ernster erscheinen. Istierinans Lippen, die stets bereit waren, sich ironisch zu kräuseln, bildeten jetzt eine dünne Linie. Sein Verstand war nicht versteckt, aber zur Unkenntlichkeit verändert und jetzt von grimmiger Schärfe geprägt. Die tiefliegenden Augen wurden zwar von Müdigkeit überschattet, verrieten jedoch kalte Entschlossenheit. Tan fragte sich vage, wie viele der jungen Bewunderer Istierinans ihn jetzt überhaupt noch erkannt hätten.
    Istierinan hielt nichts in den Händen. Doch die beiden kräftigen Männer, die ihn begleiteten, führten sowohl Knüppel als auch Fackeln mit; und einer von ihnen trug einen Lederranzen, in dem alles Mögliche stecken konnte. Tan bemühte sich erfolglos darum, sich die Art Werkzeug nicht vorzustellen, die wahrscheinlich darin untergebracht war.
    Istierinan blieb etwa knapp zwei Meter vor ihm stehen und blickte ihn wortlos an.
    Tan erwiderte den Blick gleichermaßen wortlos. Er überlegte kurz, sich unschuldig zu geben und Auskunft darüber zu verlangen, was Istierinan mit dieser Entführung im Schilde führte. Der Spionagemeister schien jedoch nicht in Stimmung für solche Täuschungsmanöver, die ohnehin durch Tans verschlungene Flucht aus Linularinum ins Delta sinnlos geworden waren. Kein Unschuldiger hätte so gehandelt oder auch nur gewusst, wie man es tat, und keinerlei Schlagfertigkeit konnte über diesen Umstand hinwegtäuschen.
    Auch schien Istierinan nicht zu irgendeinem Spiel oder zu irgendwelchen Umschweifen aufgelegt. Er blickte Tan einfach noch einen Augenblick länger an und fragte unvermittelt: »Wo ist es? Hast du es noch bei dir? Wenn du es weitergegeben hast, dann an wen?«
    Die Fragen waren seltsam formuliert, wenn man bedachte, dass Tan Informationen gestohlen hatte und keinen Gegenstand. Er antwortete vorsichtig: »Was – es?« Ihn überraschte nicht gänzlich, dass Istierinan einfach einen seiner Schläger ungeduldig anblickte. Der Mann hob einen kräftigen Arm. Tans Blick ruhte weiter auf Istierinan und wandte sich nicht dem Schläger zu. Schnell und in scharfem Tonfall sagte er: »Nun, hier sind wir, ganz ähnlich wie Redrierre und Moddrisian, und ein zufriedenstellender Ausgang dürfte nicht minder unwahrscheinlich sein, denkt Ihr nicht? Seid vernünftig, Mann! Ich antworte auf jede Eurer Fragen, aber falls Ihr Antworten möchtet, müsst Ihr klare Fragen stellen! Ich schwöre, dass ich nicht weiß, was Ihr meint.«
    Der Spionagemeister blinzelte nicht einmal. Der Strolch kam näher, baute sich hinter Tan auf und schlug ihn: ein brutaler Hieb in die Niere. Tan schnappte nach Luft, stolperte undsackte zusammen – und stellte fest, dass ihm die Würgekette die Luft abschnürte. Er wollte sich aufrichten, aber der Schläger trat ihm die Beine weg. Dann standen sie alle nur da und warteten, während sich Tan im Würgegriff der Kette darum bemühte, wieder auf die Beine zu kommen. Er schaffte es schließlich und warf heftig den Kopf, um die Kette zu lockern und die kostbare Luft mit tiefen Zügen einzusaugen.
    »Wo ist es?«, wiederholte Istierinan in gleichförmigem Tonfall. »Hast du es noch selbst? Wenn das so ist, dann gib es zurück, und das hier kann schnell vorüber sein. Andernfalls kann es lange dauern. Oder hast du es weitergegeben? An wen? Wahrscheinlich nicht an den Fürsten des Deltas.« Er bewegte kurz die Hand, um anzudeuten, dass er diese Möglichkeit sogleich verwarf, als wüssten sowohl er als auch Tan, dass sie eine törichte Idee war. »Aber vielleicht konnte es sich einer seiner Leute aneignen? Nun?«
    Tan schüttelte den Kopf. »Fürst Istierinan, ich fürchte, das wird eine lange Nacht, denn ich weiß wirklich nicht, wovon Ihr redet! Ich habe nichts mitgenommen, das ich zurückgeben könnte. Alles, was ich gestohlen habe, wurde in schlichter Tinte niedergelegt und ist schon lange aus der Vergangenheit in die Zukunft unterwegs …« Er brach ab, als der Spionagemeister von Linularinum zum Tisch ging und Gegenstände aus dem Ranzen holte.
    Zu Tans Verblüffung waren es Tintenfläschchen und Bündel von Schreibfedern, was er dort auf dem Tisch ausbreitete. Tan hätte vor schierem Staunen beinahe gelacht. Federn

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