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DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde

Titel: DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Neumeier
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und Tinte! Was immer Istierinan vorhatte, Tan war entschieden froh, das Werkzeug des Rechtskundigen zu erblicken und nicht das der anderen Art. Was jedoch führte der Linulariner Spionagemeister nun im Schilde?
    Istierinan wandte sich wieder Tan zu. »Nun?« Es klang nichtunheilvoll. Er zog eine der Schreibfedern aus dem Ranzen durch die Finger. Sein Tonfall war eher der … müder Erbitterung, wenn Tan das irgendwie beurteilen konnte. Der Spionagemeister deutete mit knapper Geste auf Tans Füße. »Du hättest mehr Schwierigkeiten, auf den Beinen zu bleiben, könnte ich mir vorstellen, wenn wir dir die Zehen brächen. Oder wenn du gar keine mehr hättest. Oder was auch immer. Es gibt so viele Möglichkeiten.«
    »Ich bin sicher, dass Ihr recht habt«, räumte Tan mit ruhiger Stimme ein. »Sicher ist es nicht nötig, diese Frage praktisch zu erproben, wenn Ihr Euch nur einfach klar ausdrücken würdet. Hoher Herr Istierinan, was genau ist es, das Ihr möchtet?«
    »Möchte?« Istierinan tat einen kleinen Schritt vor, und seine Gelassenheit bröckelte, sodass … ja, was eigentlich zum Vorschein kam? Zorn, ja, aber nicht nur Zorn. Darunter schwang noch etwas anderes mit: Furcht, sogar Entsetzen, streng gezügelt – und noch etwas anderes. Verzweiflung? Istierinan konnte sehr gut nach dem, was Tan ihm angetan hatte, seine Stellung verlieren – verlor sie vermutlich auch … sollte sie vermutlich verlieren … hatte sie schon verloren. Tan hätte jedoch nicht gedacht, dass der alte Fuchs von Linularinum so weit gehen würde, einen Meisterspion, der ihn hintergangen hatte, zu foltern und zu vernichten. Tan vermochte sich jedoch in diesem Augenblick nicht vorzustellen, welch andere Furcht in der Lage wäre, Istierinan derzeit in solche Verzweiflung zu stürzen.
    Oder hatte der König von Linularinum den Spionagemeister gar nicht mit der Jagd auf Tan beauftragt? Vielleicht war Istierinan ja auf eigene Faust hier: ein letzter Versuch, die Gunst des Königs und den alten Platz am Hof des Fuchses zurückzugewinnen? Nein, das schien nicht wahrscheinlich … Tans im Kreise laufende Gedanken wurden unterbrochen, als Istierinan persönlich einem seiner Schläger den Knüppel wegnahm und damit nach einem Fuß Tans ausholte. Tan riss den Fuß weg,und Istierinan verwandelte die Bahn des Knüppels zu einem horizontalen Hieb gegen das Knie.
    Das knackende Geräusch, mit dem Holz auf Knochen prallte, war schon entsetzlich, ehe die Schmerzen spürbar wurden. Im nächsten Moment schwang der Knüppel auf das andere Knie zu. Tan versuchte die Beine wegzuziehen, verlor dabei komplett den Halt und fand sich erneut hilflos in der Würgekette hängend wieder, nur dass diesmal die Qual des gebrochenen Knies das Entsetzen des Erstickens kurz überwältigte. Dann zwang der Luftmangel sogar die Schmerzen in den Hintergrund, und endlich bekam Tan erneut Boden unter die Füße – eigentlich nur einen Fuß. Als dann jedoch ein Teil des eigenen Gewichts das gebrochene Knie belastete, sackte er in einer roten Explosion erneut zusammen. Irgendwie gelang es ihm, wiederum auf die Beine zu kommen, aber er rang weiterhin um sein Gleichgewicht. Ihm graute vor dem Schlag auf das andere Knie, auch wenn er sich mit den Resten seines Denkvermögens sagte, dass Istierinan ihn doch sicherlich nicht töten wollte – zumindest jetzt noch nicht. Obwohl ein weiterer Schlag auf das erste Bein nicht viel besser gewesen wäre.
    Istierinan schlug jedoch nicht erneut zu, sondern wartete darauf, dass Tan wieder Gleichgewicht und Atem fand. Als Tan schwankte, unter den roten, sich durch ihn wälzenden Schmerzen zusammenzuckte und beinahe erneut stürzte, hielt ihm der Spionagemeister die Spitze des Knüppels an die Brust, um ihm Halt zu geben. »Also«, sagte Istierinan leise, »bestehst du weiterhin darauf, dass dies eine lange Nacht wird?«
    Tan versuchte, sich auf die Frage und auf Istierinans Gesicht zu konzentrieren. Der Dunst aus Schweiß und Tränen und die Übelkeit erregenden Schmerzen kamen ihm jedoch in die Quere. Er blinzelte. Dann blinzelte er erneut und schaffte es endlich, die Schmerzen so weit zu verbannen, dass er dem Spionagemeister etwas Aufmerksamkeit schenken konnte. Istierinan lehnte sich inzwischen auf den Knüppel wie auf einen Spazierstock. Hätte er gerade die Rolle des geckenhaften Höflings gespielt, wäre von ihm vermutlich ein kultivierter und eleganter Eindruck ausgegangen. Hier in dieser ungenutzten Scheune würde jedoch niemand

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