DER GREIFENMAGIER: Gesetz der Erde
fernen dunklen Winkeln der Scheune zurückkehrten. Als sie widerwillig die Köpfe schüttelten, meinte er nur: »War wohl zu viel erwartet, vermute ich. Meine Dame …«
Kleinlaut sagte Maianthe zu ihm: »Ja, Hauptmann, natürlich.Sind alle hier? War keine Spur von den … äh … den Männern zu finden, die …«
»Nichts als Schatten und Sternenlicht, so weit wir blicken konnten«, antwortete einer der Männer, die Istierinan verfolgt hatten. Er setzte ein wenig entschuldigend hinzu: »Nachdem sie die Scheune erst mal verlassen hatten, boten sich ihnen Tausende Verstecke, und wir haben heute Nacht nicht viel Mondlicht.«
»Unwahrscheinlich, dass ein Haufen von der Straße aufgelesener Wachleute aus dem Delta Istierinan Hamoddian oder seine Männer finden wird«, warf Tan ein. »Das waren nicht irgendwelche miesen, kleinen Straßenschläger, Geroen. Das war der Linulariner Spionagemeister. Er wurde vielleicht von einem Pfeil getroffen, aber die Männer, die er dabeihatte, sind sicher keine Dummköpfe. Obwohl Ihr sie überrascht haben mögt, dürfte unwahrscheinlich sein, dass Ihr sie jetzt noch findet.«
Geroen grunzte und bedachte all diese Erklärungen mit finsterer Miene. Er befahl seinen Leuten jedoch nicht, Istierinan zu verfolgen. Vielmehr sagte er: »Und das möchte ich auch nicht. Das Letzte, was wir gebrauchen können: noch ein Spion! Leute, nehmt unseren Spion. Unser Rückzugsweg ist doch nach wie vor frei, nicht wahr, Jerren?«
Tan fragte sich kurz, mit was für einer Tierart Jerren verbunden war. Vermutlich einer, die im Dunkeln sehen konnte. Ratten? Eulen? Dann jedoch hoben ihn die beiden jungen Männer hoch, die der Hauptmann angesprochen hatte, und er verlor jedes Interesse an allen Fragen außer: Wie weit bis zum Fluss? Und: Wie lange, bis ich mich endlich hinlegen kann? Und an dem unhöflichen, aber ehrlichen Zweifel: Ob sie wohl irgendwo in Tiefenau einen auch nur mäßig begabten Heilmagier haben?
Wie sich herausstellte, grenzte die Scheune an den Vorhof eines Gehöfts, nicht weit von einem verfallenen Haus. Ein Fläche aus Dornsträuchern, Giftefeu und anderem widerborstigem Gestrüpp deutete auf eine verlassene Wiese hin, und ein baufälliger Holzzaun säumte eine zerfurchte Schotterstraße. Es regnete noch nicht, aber schwere Wolken hingen am Himmel, und ein feiner Nebel trieb mit dem Wind heran.
Eine Schar Pferde kam aus dem Gestrüpp. In der Dunkelheit raubte das Geräusch ihrer Hufe im Unterholz Tan mindestens ein oder zwei Jahre seines Lebens, bis er schließlich sehen konnte, dass keine Reiter auf den Tieren saßen. Seltsamerweise bewegten sie sich alle im Gleichklang, und kein Tier streunte aus dem Weg der Herde … Ah! Natürlich konnten ein paar von Geroens Männern mit Pferden reden. Nach dem Leben in Linularinum war Tan nicht mehr damit vertraut, dass eine Menge Leute diese Gabe aufwiesen, aber dann machte er sich klar, dass man im Delta viel Farabiander Blut fand.
»Mit diesem Bein könnt Ihr kaum reiten«, erklärte Geroen.
»Ich möchte lieber reiten als laufen, und ich würde mich sogar mit den Zähnen am Boden entlangschleppen, nur um von hier zu verschwinden«, versicherte ihm Tan. »Setzt mich nur auf ein Pferd, und ich bleibe auf ihm, das verspreche ich Euch.«
Obwohl diese Behauptung im Wesentlichen zutraf, war die Aufgabe, in den Sattel auch nur des geduldigsten Tieres zu gelangen, noch weniger erfreulich, als Tan sich das eh schon ausgemalt hatte. Aber zu guter Letzt saß er im Sattel, und dann setzten sich alle in Bewegung.
Tan hatte sich dafür entschieden, das schlimme Bein lieber lose hängen zu lassen, als den Fuß in den Steigbügel zu bugsieren. Aber er gelangte rasch zu der Erkenntnis, einen Fehler gemacht zu haben – auch wenn er wusste, dass sich jede andere Entscheidung als ebenso qualvoll erwiesen hätte. Ja, und vom Pferd zu fallen, das wäre noch schlimmer gewesen, obwohl ihm der Ausdruck »noch schlimmer« derzeit sehr theoretisch erschien. Er hielt sich angesichts des Schwindelgefühls am Sattelknauf fest und bemühte sich, weder zu schreien noch zu schluchzen noch sich zu übergeben: All das wäre schlecht für seinen Ruf und auch ungünstig, wenn man zu fliehen versuchte.
Gern wäre er in blindem Elend versunken und hätte es einfach ertragen, dass Geroens Männer ihn nach Hause brachten. Im Grund genommen fand er, dass er es verdient hatte. Er vermochte seinem Pferd kaum die Fersen zu geben und zu Geroen aufzuschließen. Aber als der
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