Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika (German Edition)
Peru hatte viele Jahre lang Importautos verboten. Die Au tos, die vorher schon dagewesen waren, waren genutzt worden, bis sie buchstäblich in ihre Einzelteile zerfielen. Wenn dieser Fall eintrat, fuhren ihre Besitzer einfach mit den Einzelteilen wei ter. Ein halbes Dutzend von diesen Dinosauriern fuhren neben uns her, ihre Fahrer drängten uns, einzusteigen. „ Tumbes, muy lejos , Tumbes very far“, beharrten sie. Fenster und ganze Türen fehlten, Windschutzscheiben waren herausgebrochen, Kotflügel eingedrückt, Lichter zerbrochen. Es waren fahrende Schrotthau fen, aber sie würden uns mit etwas höherer Wahrscheinlichkeit nach Tumbes bringen als der Junge auf seinem Fahrrad. Ich sah zu Mark und Melissa hinüber, damit sie mich bei der Entschei dung unterstützten, gab diese Idee aber wieder auf, als ich den glasigen Blick in ihren Augen sah. Ich entschied mich für eines der Schrottautos und handelte einen Fahrpreis von zwei Soles pro Person aus. Es hatte riesige Löcher im Boden, durch die wir die Schlaglöcher in der Straße inspizieren konnten, und keine Fen ster. Wenigstens würde es schneller sein als der Bus. „Sieht aus wie dieses Auto aus Dukes of Hazzard “, witzelte Mark. Wir hielten an der peruanischen Passbehörde, um wieder unse re Pässe stempeln zu lassen.
Aus irgendeinem Grund lag die Passkontrolle 2 Kilometer von der Grenze entfernt. Da ich schon von peruanischen Taxis gehört hatte, die mit dem Gepäck davonfuhren, wartete ich im Auto, bis Mark und Melissa herauskamen. Ich betrachtete den Fahrer und seinen Kumpel – er war, wie ich bemerkte, die größte Person, die ich gesehen hatte, seit wir England verlassen hatten. Er lächelte be drohlich in seinen Spiegel. Der Fahrer umklammerte einen Löffel. Als wir die Formalitäten erledigt hatten, eröffnete uns der Fah rer, dass die zwei Soles nur für die Fahrt zur Passkontrolle gewesen seien. Der Fahrpreis nach Tumbes betrage fünfzehn Soles pro Person. Mark und Melissa saßen einfach da und sahen bekifft aus. Der Fahrer fuhr eine Weile weiter und hielt dann an. Die Straße war völlig verwaist. Er drehte sich zu uns um.
„Fünfzehn Soles “, wiederholte er und stieß zur Bekräftigung mit dem Löffel in die Luft. „Pro Person.“ In Quito hatten wir eine von diesen Traveller-Geschichten über einen englischen Touristen gehört, den man in Venezuela ausge raubt hatte. Während des Überfalls hatten die Angreifer ihm eine Gabel in den Arsch gesteckt, damit er während ihrer Flucht abge lenkt war. Mark und Melissa saßen da und starrten den Löffel an. Wenigstens war ein Löffel rund: Im äußersten Fall wäre er wahr scheinlich angenehmer als eine Gabel. Wenn wir ausstiegen, hätten wir einen weiten Weg zu Fuß vor uns und würden die zwei Soles verlieren, die wir im Voraus bezahlt hatten. (Ja, ich weiß: Zahle niemals im Voraus.) Obwohl es nur ein Pfund pro Person ausmachen würde, ging es uns ums Prinzip. Ich bestand auf dem ursprünglichen Preis. Der Fahrer fuchtelte dro hend mit dem Löffel. Mark und Melissa folgten dem Löffel wie hypnotisiert mit den Augen. Am Ende einigte ich mich mit dem Fahrer auf 15 Soles für uns alle zusammen – und weiter ging‘s …
… bis wir herausfanden, dass wir im langsamsten Vehikel von ganz Peru saßen. Ein halbes Dutzend Busse röhrten vorbei, wäh rend wir vorankrochen. Ich schaute durch die Löcher im Boden zu, wie die Straße unter uns vorüber polterte. Der Junge mit dem Fahrrad wäre schneller gewesen. Als wir Tumbes erreichten, fanden wir heraus, wozu der Löffel diente: Um den Kofferraum zu öffnen.
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Tumbes
Tumbes ist eine heiße, nichtssagende Provinzstadt, die ein paar Kilometer vom Meer gelegen ist. Seine zentrale Plaza ist von Palmen überschattet. Der Ort hat eine Kirche; an Straßenecken stehen Stände, an denen fettige Snacks angeboten werden. Es ist einer dieser Orte, die weder allzu modern noch besonders alt wir ken. Gelegentlich tragen Peru und Ecuador kleinere Kriege um den genauen Verlauf ihrer Grenzen aus, aber das ist für den Rest der Welt kaum von Interesse. 5
--- 5 Der Streit zwischen den beiden Ländern begann 1941, als Peru die Hälfte des damaligen ecuadorianischen Amazonas-Gebietes annektierte. Es kursiert das Gerücht, dass der Streit von bestimmten US-Ölfirmen angestiftet wurde, nachdem die Regierung von Ecuador ihnen verwehrt hatte, die riesigen Ölreserven
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