Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
ihre Hände direkt neben die Taschenlampe hielt, wodurch sie den ganzen Vorgang in Vergrößerung als Schattenspiel an die Zelt wand projizierte, was ihren Versuch, diskret zu sein, eher ins Ge genteil verkehrte.
Mark begann, mir von einem Buch zu erzählen, das ihm in Vil cabamba in die Hände gekommen war: Food of the Gods (Das Essen der Götter) von Terence McKenna. Es war die Art von wilder Spekulation, die Mark und ich liebten. McKenna spekulierte, dass halluzinogene Pflanzen (er schlug Psilocybin-Pilze vor) ein Kataly sator waren, der bei frühen Menschen zum plötzlichen Erscheinen des Selbstbewusstseins führte.
Man stelle sich, wenn man so will, unseren protomenschlichen Vorfahren vor, der aus Versehen ein paar „Magic Mushrooms“ schluckte und … sich etwas merkwürdig fühlte. Plötzlich kam ihm – oder ihr – die Frage in den Sinn, die sich die Menschen auf einem Trip seitdem immer gestellt haben: „Wo zum Teufel bin ich hier?“ Daraus entwickelten sich Bewusstsein, Sprache, Philosophie, Psycho logie, Geographie, Religion und ein ganzer Werkzeugkasten von son stigen -phien und -logien. McKennas Version ist etwas komplizierter, aber im Prinzip hätte der schwarze Monolith im Film 2001 die Form eines Magic Mushrooms haben sollen. Pilze setzten die Entwicklung der Gattung Mensch in Gang. Aus welchem Grund auch immer – es gab in der Tat eine plötzliche Explosion der menschlichen Intel ligenz. Selbstwahrnehmung, Spiritualität, Sprache: All das, was uns als „Menschen“ auszeichnet, erschien – gemessen an der Dauer der Evolution – quasi im Bruchteil einer Sekunde.
McKenna argumentierte weiter, dass diese magischen Pflanzen we gen ihrer geheimnisvol en Macht sicherlich als heilig angesehen wur den. Er gibt einige Belege, die darauf hindeuten, dass sich frühe Religionen um den rituellen Gebrauch solcher Pflanzen drehten. Dieses halluzinogene Sakrament hätte bei unseren Vorfahren ständig die un mittelbare Erfahrung von der magischen Energie der Natur um sie her erneuert und ihnen einen Weg bis in das heilige Innere der Natur ge bahnt, wie kein theologischer Text das jemals vermocht hätte.
Der dritte Schritt in McKennas Theorie besagt, dass sich (aus welchem Grund auch immer) unsere Einstellung zur Natur ver ändert hat, als wir aufhörten, solche Pflanzen zu verwenden. Die Pflanzen waren unsere Verbindung zu dieser grundlegenden natür lichen Energie. Diese Verbindung wurde abgetrennt. Das alles wird unterstützt von der Idee, dass Pflanzen wie San Pedro eine Art „Stimme in der Natur“ enthalten, die die Schönheit und Macht offenbart, die durchs Universum pulsiert. Das wird eu ch wahrscheinlich äußerst albern erscheinen. Vielleicht hätte es mir auch so erscheinen sollen. Aber … heute hörte ich diese Stimme. Der chemische Abdruck des San Pedro in meinem Gehirn hatte mir etwas Magisches gezeigt: Die heilige En ergie der Natur. „Wollt ihr beide die ganze Nacht Unsinn reden?“, rief Melissa aus dem Zelt.
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Silbermond
Es war schon nach Mitternacht. Der Mond stand hoch – es war der hellste Mond, den ich jemals gesehen hatte. Ein glühend weißes Gestirn, das die Nacht mit einem metallischen silbernen Licht erfüllte.
Ein wunderschöner Mond-Trip.
Es war schon über zwölf Stunden her, seit wir das San Pedro ge nommen hatten. Wir saßen um das Lagerfeuer und kamen lang sam von unserem Trip herunter. Melissa war herausgekommen und kochte etwas Wasser für einen Tee. Plötzlich empfand ich einen starken Zuneigungsschub für Mark und Melissa. Ich legte mich im Sand auf den Rücken und betrachtete den Mond und die Kokospalmen, die über mir tanzten. Ich wusste, dass dieser Augenblick alles enthielt, was ich gesucht hatte, als ich nach Süd amerika gekommen war. Es fühlte sich wie Freiheit an.
„Es ist gut, mit euch beiden zu reisen“, sagte ich. Alle Streitereien und trivialen Wutanfälle schmolzen weg. Alles hatte sich gelohnt.
Kapitel 9
Der Fischjunge
„Irgendjemand wird sterben …“
Den nächsten Tag verbrachten wir damit, uns zu erholen und am Strand zu faulenzen. Es war so ziemlich wie jeder andere Tag in Arrecifes. Wir sammelten Feuerholz und kauften Lionel einen großen Fisch ab, den wir mit Reis brieten, gefolgt von Bananen, die wir in Rum und Zucker gedünstet hatten.
Es gab eine kleine Tragödie. Als Carlos von seinem täglichen Fisch fang zurückkehrte, erzählte er, er hätte gerade einen kolumbianischen Jungen vor dem Ertrinken gerettet. Er war
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