Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
hatte sie mir gesagt. Sie war offen, freundlich und lachte gern, hatte einen naiven Charme und ein natürliches Lächeln. Ihre sonnigen Phasen wur den jedoch auch von Perioden unterbrochen, in denen sie sehr in sich gekehrt war. Dann zog sie sich für zehn Tage zur Meditation zurück; das war ihre Art, ihre traumatische Vergangenheit zu be wältigen. Melissa war nicht leicht zu verstehen. Wenn man ihre Lebens geschichte der Reihe nach erzählen würde, wäre sie schon ver wirrend genug. Aber die Art, wie sie Dinge erklärte, ergab nur einen Sinn, wenn man die Geschichte schon kannte. Als ich sie zum ersten Mal getroffen hatte, hatte sie sich gerade erst aus einer langen Beziehung und einer verwickelten Verbindung zu eine Kampfsportgruppe gelöst. „Naja, nicht wirklich Kampfsport.“
„Oh. Um was ging es dann?“ „Chi.“ „Cheese?“ „Ja, Chi. Es geht darum, die Zirkulation von Chi im Körper zu stimulieren.“ „Das muss ja ein richtiger Schmelzkäse sein.“ „Nein, nicht „Cheese“. Chi. C-H-I. Chi. Das ist das chinesische Wort für Energie. Man öffnet die Energiekanäle im Körper. In diesem Fall durch Bewegung. Das ist die Grundlage der gesamten chinesischen Medizin.“ Melissa erklärte, dass ihr letzter Freund mit all ihren Freun dinnen geschlafen hatte. Außerdem hatte sie mit ihrer Mutter und einem anderen Mann in einem Haus gelebt, die sich fürch terlich gestritten und geprügelt hatten. In der Zwischenzeit hatte sie bei einem brillanten und inspirierenden Lehrer Kampfsport trainiert, der sie im Dezember frühmorgens um 5 Uhr in den Park hinaus getrieben hatte, wo er sie stundenlang einen Stock schwingen ließ. Irgendwann fiel bei mir der Groschen. „Also, das ist jedes Mal dieselbe Person?“, fragte ich. „Wer ist dieselbe Person?“, fragte Melissa zurück. „Naja, der Typ, der bei deiner Mutter lebte. Hieß er Peter?“ „Ja.“ „Und dein Ex-Freund? Hieß er Peter?“ „Ja.“ „Und dieser Lehrertyp? Peter?“ „Ja.“ „Also ist das jedes Mal dieselbe Person?“ Melissa dachte einen Augenblick lang über diese Möglichkeit nach. „Naja … ich denke schon.“
Sie wirkte überrascht, als wäre ihr das jetzt erst klargeworden. Melissa war so unklug gewesen, Peter und ihre Mutter zu überreden, ein gemeinsames Haus in Chiswick zu kaufen. Nun steckten sie alle drei fest. Das Haus war voller Angelzeug und chi nesischer Medizin, die ihrer Mutter gehörte. Die Tiefkühltruhe war mit Madenknäueln und anderen Ködern vollgestopft. Wenn man den Kühlschrank öffnete, fand man eingemachte Innerei en von Fledermäusen oder Froschhaut vor. Melissas Mutter und ihr Ex-Freund stritten die ganze Zeit und machten sich gegen seitig wahnsinnig, was Melissa dann natürlich auch wahnsinnig machte.
Ein ununterbrochener Strom von Peters bewundernden An hängern, diversen New Age Gurus, spirituellen Lehrern, bud dhistischen Mönchen und indischen Yoga-Meistern lief durchs Haus. Abgesehen von einem indischen Yogi, der jeden Morgen um vier Uhr aufstand, um vor Sonnenaufgang zu scheißen, und danach anscheinend kaum noch etwas tat, schienen die meisten spirituellen Lehrer ständig rumzubumsen. Melissa erklärte mir den New Age.
„Es ist wie bei Musikern und Groupies. Diese Leute haben je de Menge Charisma, Energie und Dynamik. Was sie sagen ist oft wirklich inspirierend. Sie sind attraktiv – ihre Energie zieht die Leute an. So sind sie überhaupt erst zu Anführern und Gurus ge worden. All diese idealistischen jungen Frauen verfallen ihnen und strecken ihnen ständig ihre dicken, festen, jungen, saftigen Titten unter die Nase. Was erwartest du also?“ Melissa schob ih re kessen A-Körbchen so weit wie möglich nach oben. Sie liebte Brüste, sie liebte es, von ihnen zu reden, sie anzusehen und sie sogar hin und wieder anzufassen, wenn sich eine Gelegenheit bot.
Sie hatte nur selbst keine. Klein, aber perfekt geformt. So war Melissa. „Ja, klein aber wohlgeformt“, schmollte sie. „Und wenigstens werden sie nie schlaff werden.“ Melissas Eltern hatten sich scheiden lassen, als sie vierzehn ge wesen war. Ihr Vater war in der Armee gewesen, weshalb sie in verschiedenen Militärbasen rund um die Welt aufgewachsen war. Sie hatte zahlreiche Internate besucht, war aus der Kunsthoch schule geflogen und ein Junkie geworden. Ihre Sucht hatte sie durch Ladendiebstähle finanziert. „Ich habe ein ganzes Jahr lang nichts gekauft. Nicht ein einziges Mal. Ich ging einfach in einen Laden, nahm mir etwas und
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