Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
in, sagen wir, Belgien, hätten wir uns nicht allzu viel davon verspro chen. In Kolumbien herrscht aber ein extrem harter Wettbewerb. Als wir ankamen, war es allerdings eher ruhig. Die meisten Läden hatten wegen dem bevorstehenden Wochenende früh ge schlossen; die Straßen waren leer, das Stadtzentrum war wie aus gestorben. Ausrangierte Flaschen und Zeitungen lagen verstreut in den Straßen; Plastiktüten wirbelten überall herum; sie wurden vom Wind aufgewirbelt und in unsere Gesichter geblasen. Bettler, Straßenkinder und streunende Hunde bahnten sich mit Fußtrit ten ihren Weg durch den Abfall oder schliefen in Ladeneingän gen unter Bergen von Zeitungspapier.
Wir hatten uns mit Mark im Hotel California verabredet. Wir hatte es vor allem deshalb gewählt, weil wir sicher waren, dass wir den Namen nicht vergessen würden. Es war das deprimierendste Hotel, das ich je gesehen hatte. Es befand sich im zweiten und drit ten Stock eines heruntergekommenen Bürogebäudes; die Zimmer waren durch abgerissene Papp-Trennwände abgeteilt, die kaum bis zur Decke reichten und mit einer kackbraunen Farbe bemalt waren, die von einer Lage Fett und Staub bedeckt war. (Ich hoffte zumindest, dass es Farbe war.) Wäscheleinen füllten die Rezepti on. Ein blasser, dreckiger Abglanz von Tageslicht war das einzige, was durch die staubbedeckten Oberlichter drang. Man musste schon sehr verzweifelt sein, um dort zu übernachten, obwohl ich sicher war, dass Mark es getan hätte. Von ihm fehlte aber jede Spur. Wir fanden ein besseres Hotel, dessen einziger Nachteil war, dass der Ventilator die oberen fünf Zentimeter meines Kopfes abrasiert hätte, wenn ich aufrecht gestanden wäre. Die Lobby war voller Geschäftsleute, die zusahen, wie die kolumbianische Mannschaft irgendein Aufwärmspiel für die Fußballweltmeister schaft bestritt. Meine Augen leuchteten auf. Melissa stöhnte.
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Eigentoooor! Eine Geschichte über Fußball, Kokain und Yankees
Die Kolumbianer lieben Fußball. Sie interessierten sich auch jetzt weit mehr für die bevorstehende Fußballweltmeisterschaft als für die Präsidentschaftswahlen, die kurz vor der Meisterschaft anstanden. Die Nationalmannschaft hatte die argentinische Mannschaft in Buenos Aires mit 5:0 haushoch geschlagen – ein sensationelles Ergebnis, gefolgt von wilden Feierlichkeiten mit vielen Toten. Und ganz im Sinne der kolumbianischen Tendenz entweder zu absoluter Hoffnungslosigkeit oder überschwäng lichem Optimismus waren alle davon überzeugt, dass man die WM gewinnen werde. Sie hatten seit dreißig Spielen nicht ver loren. Sogar Pelé tippte auf sie. Carlos Valderrama – ein Junior- Spieler und Barranquillas Lokalheld – war der Spielmacher, mit seinem blonden Afro-Schnitt und seinem schlaffen Schnurrbart eine allseits gegenwärtige Gestalt. Aber die Kolumbianer hatten Probleme mit ihrer Mannschaftsaufstellung. Im El Prado in Santa Marta hatte ich gesehen, wie sie ihr letztes Spiel bestritten hat ten – zusammen mit einem Teenager-Jungen, der in der ersten Hälfte eine ganze Flasche Rum gesoffen hatte und in der zweiten schluchzend am Boden gelegen war.
Kolumbien schaffte es nicht bis zum WM-Titel. Sie flogen in der ersten Runde raus, nachdem sie gegen Rumänien und die USA verloren hatten. Rauszufliegen war schon schlimm, aber gegen die USA zu verlieren war eine nationale Demütigung. Denn erstens hatten die USA nicht einmal eine professionelle Fußball-Liga. Aber schlimmer noch … es waren die USA – die verhassten Gringos.
Das Verhältnis zwischen den USA und Kolumbien ist eine of fene Wunde. Erstens haben sie Panama nicht verschmerzt, das bis 1903 zu Kolumbien gehört hatte – bis die USA eine Unabhängig keitsbewegung finanziert hatten, um einen abhängigen Staat für den Panama-Kanal zu schaffen. Zweitens dominieren die USA ihre Wirtschaft. Drittens üben die USA Druck aus, um das Koka in auszurotten: Die USA geben kolumbianischen Politikern keine Visa; sie drohen mit Handelsembargos; sie fliegen Truppen nach Kolumbien ein; sie finanzieren das Besprühen von Koka-Feldern mit giftigen Chemikalien aus der Luft.
Das Kokain ist in Kolumbien weniger unpopulär. Der legen däre Boss des Medellín-Kartells, Pablo Escobar, kultivierte ei ne Art Robin-Hood-Image, indem er Sport-Zentren und ein komplettes Barrio für arme Familien baute. (Außerdem war er ein psychopathischer Ex-Hitman.) Der Verkauf von Kokain an die USA ernährt viele Kolumbianer, arme wie reiche. Sogar das
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