Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
Schachmatt.“ An diesem Abend versammelten wir uns mit einer Gruppe an derer Rucksacktouristen und einem Führer namens Louis, der (außer ein paar Engländern, die sich noch an den Raj erinnern konnten) vielleicht der einzige Mensch in den Tropen war, der sein Hemd in die Hose steckte und seine Socken bügelte.
„Hauptsache, wir haben Spaß“, verkündete er, als er seine Ge bühr einkassierte. Der Minibus brauste im üblichen selbstmör derischen Tempo aus Santa Marta hinaus. Um die Parkwächter zu umgehen, gingen wir in der Nacht hinein. Das bedeutete eine zweistündige Wanderung im Dunkeln durch den Dschungel, da Arrecifes ein ganzes Stück von der Straße entfernt lag. Ich bin mir sicher, dass Louis lediglich einen Wächter bestochen hatte, aber er machte viel Aufhebens daraus, dass wir mit abgeschalteten Ta schenlampen auf leisen Sohlen am Haupteingang und dem Park büro vorbeischleichen mussten. Dann führte er uns auf einem gewundenen Pfad durch den mondbeschienenen Wald, über stei le, felsige Berghänge und durch trockene Bachbetten. Es war eine stimmungsvolle Wanderung, voller geheimnisvoller Schatten und fremdartiger Vogelrufe.
Nach zwei Stunden Dunkelheit und Dschungel hörten wir das Geräusch der Brandung. Ein paar Minuten später standen wir vor einem poppigen Strandrestaurant – mit Kerzen auf den Ti schen, Sand auf dem Boden, einem Dach aus Palmen und die Luft dick vom süßen Cannabis-Duft. Traveller und Hippies saßen da, rauchten, tranken, spielten Schach oder Karten, lasen Bücher oder redeten. Draußen waren Hängematten zwischen Kokospal men aufgehängt.
Ein Kassettenrecorder spielte The Doors. Louis ließ uns triumphierend Platz nehmen und wartete darauf, dass ihm jemand ein Bier spendierte, während er mit anderen Travel lern redete. Wir stellten draußen im Dunkeln unser Zelt auf.
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Arrecifes
Morgens wurde uns klar, warum wir hier waren. Der Strand in Arrecifes galt als der schönste in ganz Kolumbien. Man konnte sich kaum vorstellen, dass es irgendwo noch einen schöneren Strand geben sollte, und von dem Müll, wegen dem der Park geschlossen worden war, war keine Spur zu sehen. Ein Bogen aus weißem Sand erstreckte sich zwischen zwei felsigen Landzungen. Wellen krach ten gegen diese beiden Wachposten, während der Strand selbst mit riesigen dunkelgrauen Findlingen gesprenkelt war, die wie überdi mensionale Stillleben in Gruppen herumlagen.
Hinter dem Strand schwankten Kokospalmen im Wind. Dahin ter waren wiederum steile, bewaldete Berge, die wie riesige Brok koli aussahen. Dieses undurchdringliche Vorgebirge türmte sich schließlich zu den alpinen Gipfeln der Sierra Nevada de Santa Marta auf. Nabusímake lag direkt hinter den Bergen – für einen Kondor waren es nur rund sechzig Kilometer, aber auf der Straße war es eine dreitägige Reise durch die Sierra.
Es war einer von den Orten, von denen man träumt, wenn man auf Reisen ist. Keine armselige Hütte von einer Herberge in einer Großstadt in der Dritten Welt, sondern ein wilder leerer Strand mit brandenden Wellen und Palmen, die über unseren Köpfen im Wind schwanken. Ein Ort, an dem man sich lebendig fühlt. Ob wohl der Strand oft verlassen wirkte, lebten tatsächlich rund 30 Einheimische irgendwo unter den Palmen zusammen mit einer ähnliche Anzahl Touristen. Manche blieben nur für ein paar Tage, andere für zwei Monate.
Alle Wege auf dem Gringo-Trail führten nach Arrecifes. Grün schnäbel, die sich ein Jahr Zeit genommen hatten und erfahrene Traveller, die so viele Jahre schon unterwegs gewesen waren, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnten, wo sie zu Hause wa ren; New Age Mystiker, die Yoga-Positionen übten und kokain schnupfende Party-Monster. Da der Strand von bewaldeten Bergen umschlossen war, fühlte man sich wie auf einer Insel. Wegen des langen Fußmarsches und da es keine Straße gab, kamen keine Tagesbesucher. Es gab auch kaum Kolumbianer. Vielleicht konnten sie es sich nicht leisten, durch Bestechung hereinzukommen.
Arrecifes selbst bestand aus drei Restaurants. Wir waren am Ar recifes-Restaurant angekommen (ein fantasievoller Name), dem poppigsten, das auch unter Travellern am beliebtesten war. Dane ben war das El Paraíso – es war etwas eleganter und wurde von den wenigen Kolumbianern bevorzugt, die es in den Park schaff ten. Das El Paraíso hatte eine riesige Menge unbeschäftigten Perso nals, das den größten Teil des Tages mit Nichtstun beschäftigt war: Es gab Eseltreiber, die
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