Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
von Leuten auf Händen und Füßen herum und grub im Sand herum. Wie ich sagte, kolumbianisches Gras ist ziemlich gut.
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Das Schwimmbecken
Arrecifes war nicht ganz perfekt. Der Strand vor uns hatte einen trügerischen, gefährlichen Sog. Nur wenige Meter vom Strand entfernt waren schon Leute ertrunken. Carlos, ein Itali ener, der schon seit fünf Monaten am Strand campierte, erzählte uns, dass im letzten Jahr zwölf Menschen ertrunken waren. Den letzten dieser Unglücksfälle hatte er selbst miterlebt – ein Ko lumbianer auf der Hochzeitsreise: Die Braut des Mannes war in Schwierigkeiten geraten; er war hinausgeeilt, um sie zu retten. Irgendwie hatte sie es zum Strand zurück geschafft. Er aber nicht. Es gab keine Rettungsausrüstung; die einzige Warnung be stand in einem kleinen Schild, das vor einem der Restaurants an einen Baum genagelt war.
Wenn man rund zwanzig Minuten am Strand entlang ging, er reichte man eine weitere Bucht. Sie wurde von einem Ring aus Felsen und Korallen geschützt, die einen Halbkreis bildeten. Die ses „Schwimmbecken“ hatte einen Durchmesser von rund hun dert Metern. Hinter dem Becken lebte eine Fischerfamilie mit ei ner sonnengetrockneten alten Großmutter, die den ganzen Tag damit zubrachte, Fisch für Touristen zu kochen. Fischernetze wa ren auf dem Strand ausgebreitet.
Abgesehen vom Kochen und der täglichen Suche nach Feuer holz war der Ausflug zum Schwimmbecken stets die Hauptattrak tion des Tages. Es war ein wunderschöner Ort. Man schwamm im warmen, ruhigen Wasser, während gewaltige Wellen gegen den Ring aus Felsen schlugen, sodass die weiße Gischt in die Luft sprühte. Wir ließen uns stundenlang treiben und betrachteten den Strand und die Brokkoli-Berge.
Der Spaziergang zu dieser Bucht war ebenso schön, durch Ko kospalmen und um zwei verwunschene kleine Buchten herum. Bei Flut musste man über riesige Findlinge kraxeln, die die sch malen, goldenen Strände dieser Buchten blockierten. Der Ein gang zu einer von ihnen war von einem untergegangenen Fi scherboot zur Hälfte versperrt.
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Schmuggler
Noch bis vor nicht allzu langer Zeit waren Drogen das Haupt geschäft gewesen. Die Bedingungen waren ideal: Ein abgelegener Ort, abgeschnitten durch die Sierra Nevada de Santa Marta und tief versteckt im Dschungel; eine direkte Route über die Karibik in die Vereinigten Staaten; und ein perfektes Klima.
Der dichtbewaldete seewärts gerichtete Hang der Sierra ist noch immer eines der Hauptanbaugebiete für Cannabis in Kolumbien. Seit der Blütezeit in den 1960ern und 1970ern ist die Cannabispro duktion in Santa Marta allerdings zurückgegangen, da sich die Dro genkartelle des Landes seither auf das lukrativere Kokaingeschäft konzentrieren. Für die Familien in Arrecifes lief es wohl so ziemlich auf dasselbe hinaus: Cannabis, Kokain, Fisch, Kokosnüsse – nichts weiter als verschiedene Mittel, um ein paar Pesos hereinzuholen.
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Helena
Melissa und ich hatten unser Lager unmittelbar hinter dem Strand unter den Kokospalmen aufgeschlagen. Neben uns lager ten drei englische Jungs – die ich nie weiter gehen sah als von ihren Hängematten ans Wasser – und Helena.
Helena hatte seit einem Jahr in Kolumbien gelebt und lebte vom Verkauf von Schmuck, den sie aus Muscheln und Leder machte. Seit sie in Kolumbien angekommen war, war sie dreimal verhaftet, zweimal von Männern mit Schusswaffen angehalten und zweimal entführt worden. Sie sagte, sie sei einmal mit einem Bus gefahren, der von Guerillas angehalten wurde. Sie hatten alle Passagiere vor dem Bus antreten lassen und ihnen einen Vortrag über den Kampf des Volkes gehalten. Als der Vortrag beendet war, brachen die Passagiere in „spontanen“ Applaus aus. Wenn es um die Würdigung der rhetorischen Feinheiten geht, wirken ein paar Maschinenpistolen wahre Wunder. Dann winkten die Guerillas die Passagiere wieder in den Bus zurück. Sie raubten sie nicht einmal aus.
Sie erzählte uns die Geschichte ihrer ersten Entführung. Sie fuhr per Anhalter – was für ein achtzehnjähriges blondes eng lisches Mädchen in Kolumbien entweder sehr mutig oder sehr dumm ist.
Ein Mann mittleren Alters hielt und bot an, sie mitzunehmen. Es schien einigermaßen ungefährlich zu sein, weil die betagten Eltern des Mannes auf dem Rücksitz saßen. Nach einer Weile hielt er in einem Dorf und setzte seine Eltern ab; dann zog er plötzlich eine Pistole und sagte, dass sie tun sollte, was er sagte. Sein Plan war, an die
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