Der groesste Teil der Welt
was das für ein Gefühl ist?«
Die Mädchen fielen mit gladiatorenhafter Wut übereinander her, kreischten, kratzten und rissen sich gegenseitig Büschel frischgeschlüpfter Haare aus. »Alles in Ordnung bei euch?«, rief Alex’ Frau Rebecca aus der Küche.
»Alles klar«, rief Alex zurück. Er staunte über Bennies Gelassenheit, war das so, wenn man diese Kindersache in einer zweiten Ehe noch einmal anging?
»Leider«, sagte Bennie jetzt, »geht es nicht mehr um Sound. Es geht auch nicht um Musik. Es geht darum, wen man erreicht. Das ist die verdammt bittere Pille, die ich schlucken musste.«
»Ich weiß.«
Sollte heißen, er wusste (wie alle in der Branche), dass Bennie vor vielen Jahren bei seinem eigenen Label, Sow’s Ear Records, gefeuert worden war, nachdem er seinem Aufsichtsrat zum Lunch Kuhfladen serviert hatte (»und sie dampften sogar noch«, schrieb eine Sekretärin, die die Geschichte zeitgleich online auf Gawker gepostet hatte). »Ihr wollt, dass ich den Leuten Scheiße reindrücke?«, hatte Bennie die empörten Aufsichtsräte angeblich angebrüllt. »Fresst sie doch selbst, dann seht ihr ja, wie sie schmeckt!« Danach hatte Bennie Musik mit einem kratzigen analogen Sound produziert, aber nichts hatte sich richtig verkauft. Jetzt, mit fast sechzig, galt er als belanglos: Alex hörte meistens, dass in der Vergangenheit von ihm gesprochen wurde.
Als Cara-Ann ihre nagelneuen Schneidezähne in Avas Schulter schlug, musste Rebecca aus der Küche herbeirennen und sie wegziehen; Alex, der mit zen-gleicher Gelassenheit auf der Couch sitzen blieb, warf sie einen vorwurfsvollen Blick zu. Mit ihr kam Lupa, die dunkeläugige Mutter, der Alex in der Spielgruppe zuerst ausgewichen war, weil sie so gut aussah, bis er erfahren hatte, dass sie mit Bennie Salazar verheiratet war.
Nachdem die Wunden verbunden und die Ordnung wieder hergestellt war, küsste Lupa Bennie auf den Kopf (sein Kennzeichen, seine struppige Mähne, war jetzt silbern) und sagte: »Ich warte noch immer darauf, dass du Scotty auflegst.«
Bennie lächelte zu seiner viel jüngeren Frau hoch. »Den habe ich mir aufgespart«, sagte er. Dann griff er zu seinem Smartpad und entlockte der gewaltigen Anlage (die Alex die Musik förmlich durch die Poren zu pumpen schien) einen erbärmlichen Sänger, begleitet von einer verzerrten, nachhallenden Slide-Gitarre. »Wir haben das vor zwei Monaten herausgebracht«, sagte Bennie. »Hast du von ihm gehört, Scotty Hausmann? Bei den Patschern kommt er gut an.«
Alex schaute kurz zu Rebecca hinüber, die sich über den Begriff »Patscher« ärgerte und höflich, aber energisch alle zurechtwies, die damit Cara-Ann bezeichneten. Zum Glück hatte seine Frau aber nichts gehört. Jetzt, wo Seesterne oder Kiddie-Smartpads allgegenwärtig waren, konnte jedes Kind, das gezielt patschen konnte, damit Musik herunterladen - das jüngste war angeblich ein drei Monate altes Baby in Atlanta, das einen Song der Nine Inch Nails mit dem Titel »Gaga« gekauft hatte. Fünfzehn Kriegsjahre hatten mit einem Babyboom geendet, und diese Babys hatten nicht nur eine tote Industrie wiederbelebt, sondern waren zu denjenigen geworden, die über musikalischen Erfolg entschieden. Bands blieb nichts anderes übrig, als sich für die Vorverbalen neu zu erfinden, sogar Biggie hatte ein weiteres posthumes Album veröffentlicht, dessen Titelstück, ein Remix des Biggie-Standards »Fuck you bitch« klang wie »You’re big, Chief!«, und auf dem Bild dazu hielt Biggie ein Kleinkind auf dem Arm und trug einen indianischen Federschmuck. Seestern bot noch andere Möglichkeiten - Fingergrafiken, gps-Systeme für Babys, die gerade laufen lernen, PicMail - aber Cara-Ann hatte bisher keins in der Hand gehabt, und Rebecca und Alex waren übereingekommen, damit zu warten, bis sie fünf wäre. Sie benutzten ihre eigenen Smartpads nur selten, wenn Cara-Ann dabei war.
»Hör dir diesen Typen an«, sagte Bennie. »Hör ihn dir einfach an.«
Das klagende Vibrato, das quengelige Tremolo der Slide-Gitarre - für Alex klang es schrecklich. Aber immerhin war das Bennie Salazar, der vor so vielen Jahren die Conduits entdeckt hatte. »Was hörst du denn?«, fragte Alex ihn.
Bennie schloss die Augen, bis zu den Zehenspitzen mit allen Sinnen am Akt des Zuhörens beteiligt. »Er ist absolut kompromisslos«, sagte er. »Unverfälscht.«
Alex schloss ebenfalls die Augen. Sofort verdichteten sich die Geräusche in seinen Ohren. Hubschrauber, Kirchturmglocken, in
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