Der große Bio-Schmaeh
Können, wie schon unter Buchbinderinnen und Buchbindern, auch in der Landwirtschaft vor allem durch kleinere und mittlere Betriebe erhalten und weitergegeben wird. Die letzten Landstriche, die für industrielle Maschinen zugänglich waren, verwandelten sich in Agrarwüsten, die Vielfalt der Kulturpflanzen und Nutztiere wurde durch Vereinheitlichung und Massenproduktion noch weiter dezimiert. All das wollte ich nicht. Ich entschloss mich, Bio-Konsument zu werden – noch konsequenter, als ich es inzwischen schon war.
Und ich wurde Bio-Insider
Nachdem ich als frischgebackener Agrarbiologe von der Uni gekommen war, pachtete ich eine landwirtschaftliche Anbaufläche im Raum Wien und führte dort wissenschaftliche Versuche zum Anbau von Bio-Gemüse durch: Sortenversuche, Experimente zur natürlichen Schädlingsbekämpfung und zur Bestimmung der optimalen Pflanzdichten verschiedener Feldfrüchte. Ich schrieb ein Fachbuch über alte Sorten in Landwirtschaft und Garten, das 2011 auf dem Buchmarkt erschien. Ich besuchte Bio-Höfe in ganz Österreich sowie im Ausland.
Einmal verschlug es mich an die wilde und gleichsam romantische Küste von Wales in Großbritannien, wo ich eine Zeit lang auf einer ökologischen Farm wohnte und mitarbeitete. »Never say you are in England!«, warnte mich ein Bauer in Wales, während er seinen neuen Hut aufsetzte und sich mit einem Stock in der Hand durch dichte Nebelschwaden auf den Weg zu seiner Schafherde machte. Die Landschaft in dieser Region war märchenhaft. Die moosbewachsenen walisischen Wälder mit ihren uralten, knorrigen Bäumen, das stürmische Meer, die Ziegen und Schafe, die mir überall unterwegs begegneten, und nicht zuletzt die Menschen auf der Öko-Farm, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft einsetzten, machten meinen Aufenthalt unvergesslich.
Später wurde ich vom Insider der Bio-Bewegung sogar zum Insider des Bio-Massenmarktes: Ich arbeitete fast ein halbes Jahr lang im Qualitätsmanagement für die Bio-Marke
Zurück zum Ursprung
des Lebensmittel-Discounters Hofer. Doch die Business-Welt der »Big Fishes« des Lebensmittelhandels, in der ich gelandet war, entsprach ganz und gar nicht meinen persönlichen Vorstellungen des »kontrolliert biologischen Marketings«. In dieser Zeit wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass rund um die ökologische Landwirtschaft zwei gegensätzliche Kräfte am Werk sind: nämlich eine Bio-Bewegung und eine Bio TM -Branche. Es kam zu einer
einvernehmlichen
Auflösung meines Managerdienstverhältnisses. Seither widme ich mich wieder als unabhängiger Wissenschaftler der biologischen Landwirtschaft, ohne einen Konzern im Nacken. Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass mein Herz für den Ökolandbau schlägt. Das Buch, das Sie in Ihren Händen halten, richtet sich beileibe nicht gegen die Idee der biologischen Lebensmittelherstellung an sich! Im Gegenteil: Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, die Bio-Idee zu erhalten. Und zwar in ihrer ursprünglichen Form, in der sie auch den Erwartungen und Vorstellungen vieler Verbraucherinnen und Verbraucher entspricht. Als Bio-Konsumentinnen und Bio-Konsumenten müssen wir auf der Hut sein, wenn wir nicht bloß die »Zielgruppe« für das »zielgruppenorientierte Marketing« der Lebensmittelkonzerne sein möchten.
Der Bio TM -Pionier und das »traditionelle Bäckerhandwerk«
Als ich zum ersten Mal hinter die Bio-Kulissen der Supermärkte blickte
»Es ist fürchterlich, wie man Bio-Brot heute produzieren darf.«
(Franz Kaschik, Bio-Vollwertbäcker, Wien)
Der Ursprungsbäcker
Idyllische Bilder aus einer wohlig warm wirkenden Backstube: Der Raum ist abgedunkelt, schummriges Stimmungslicht verwandelt den Schauplatz in eine theatrale Bühne. Aus dem dunklen Hintergrund heben sich ein paar Brotkörbe ab, die nur mehr darauf warten, gefüllt zu werden. Im beleuchteten Vordergrund knetet ein junger Bio-Bäcker sorgfältig und mit gekonnten Handbewegungen den Teig. Handarbeit scheint hier noch einen wichtigen Stellenwert zu haben. Auf dem Arbeitstisch finden wir vier rohe Brotlaibe und ein einzelnes Brotkörbchen – alles perfekt arrangiert. Die Szenerie gehört zu einem TV-Werbespot für
Zurück zum Ursprung
, der Bio-Marke von Hofer (so nennt man den Aldi-Konzern in Österreich). Außer dem Bäcker ist noch ein zweiter Mann im Bild. Er trägt einen urigen grauen, beinahe bergbäuerlich anmutenden Bart und stellt den eigentlichen Hauptakteur des Geschehens dar. In den Medien ist er als
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