Der große Bio-Schmaeh
wieder gerettete Prinzessin gehört beispielsweise zu einem Narrativ, das wir alle aus den Märchenerzählungen unserer Kindheit kennen. Die Gebrüder Grimm und die großen Lebensmittelketten haben einiges gemeinsam. Auch im Marketing für Bio-Produkte finden wir Narrative, die als Fiktion – sogenannte Werbefiktion – an den Mann und an die Frau gebracht werden. Der Vergleich zwischen Werbung und Geschichtenerzählen könnte nicht treffender sein. Selbst Marketingexperten sprechen vom sogenannten »Storytelling«. Die altbekannte Geschichte vom »laaangsam« und sorgsam gebackenen Brot, das so voller Tradition und Handwerk stecken soll, ist ein repräsentatives Beispiel für ein Narrativ der Bio-Werbung; ebenso wie die »glücklichen Hühner«, die bei
Ja!Natürlich
sogar »überglücklich« sein sollen.
Was Marken erfolgreich macht, das wissen zum Beispiel die Psychologen Christian Scheier und Dirk Held. In ihrem gemeinsamen Buch 18 geben sie den Werbeabteilungen Tipps zum Aufbau starker Marken mit gutem Image. Es sei das Wichtigste, implizite Signale zu setzen, schreiben sie. Und das am besten auf allen Ebenen der Wahrnehmung: Akustisch, visuell, inhaltlich. Man müsse die Trends und Wunschvorstellungen der Zielgruppe beachten und diese dann implizit ansprechen – immer wieder und wieder. »Implizit« bedeutet in diesem Zusammenhang nichts anderes als »unterschwellig«. Es geht darum, solche Signale zu setzen, die mit positiven Inhalten und Vorstellungen verknüpft sind. Wahrscheinlich haben die meisten solcher TV-Spots nicht das Ziel, den Zuseherinnen und Zusehern weiszumachen, die Bio-Produkte kämen tatsächlich von kleinstrukturierten und liebevoll umhegten Retrobauernhöfen. Nein, die Werbefachleute halten Sie und mich vermutlich nicht für naiv! Moderne Werbung bedient sich gänzlich anderer, nur schwer durchschaubarer Mechanismen. Die Marketingwissenschaft ist schon seit Langem ein interdisziplinäres Fach, in dem man sich auf Erkenntnisse der Neuropsychologie und der Neurobiologie stützt. »Neuromarketing« heißt der brandheiße Trend! In dieser Disziplin betrachtet man Sie und mich als Ansammlung von Gehirnneuronen, die durch gewiefte Stimulation zu einem bestimmten Konsumverhalten angeregt werden können. »Der Konsument« – wie man unter Managerinnen und Managern zu sagen pflegt – ist dann nur mehr ein potenzielles Käufergehirn.
Die DINKS, die LOHAS und wie man sie sich angelt
Was ist das Um und Auf erfolgreicher Werbung? »Die Emotions- und Motivwelten im Gehirn des Kunden und Konsumenten zu kennen und sicher zu treffen«, antwortet der Marketingexperte Hans-Georg Häusel in seinem Fachbuch »Brain View! Warum Kunden kaufen« 19 . Selbst das bunteste Werbefeuerwerk nützt nichts, wenn man nicht darauf Rücksicht nimmt, was in der Zielgruppe gut ankommt. »Wir richten uns vorwiegend nach den DINKS«, wurde mir vom Chefqualitätsmanager einer österreichischen Bio-Marke erklärt. Ich fing mit dem Begriff »DINKS« nicht viel an und mein Gesichtsausdruck hatte meine Wissenslücke wohl verraten. Der geduldige Manager nahm sich ein Herz und machte mir klar, das Kürzel stünde für »Double Income – No Kids«. Und das sei der Überbegriff für eine bestimmte Zielgruppe von Konsumentinnen und Konsumenten. DINKS sind also Paare, von denen beide über ein Einkommen verfügen und die keine Kinder zu versorgen haben. Sie sind in der Lage, höhere Preise zu bezahlen, und lassen sich mit sogenannten »Premium-Produkten« besonders gut ansprechen. Es handelt sich daher um eine Einkommensgruppe. Für mich war diese Zielgruppen-orientiertheit etwas völlig Fremdes. Ich bemerkte, dass ich rund um die Bio TM -Branche in einer Welt des Marketings gelandet war, die ganz und gar anders tickte als alle »Bio- und Öko-Welten«, in denen ich mich in meinem bisherigen Leben bewegt hatte.
Ein halbes Jahr nachdem ich auf den Chefmanager getroffen war, der es auf die Geldbörse der DINKS abgesehen hatte, führte ich an einem zentralen Gemüseproduktionsbetrieb genau dieser Marke ein interessantes Gespräch mit einem der Produktionsleiter. Wir unterhielten uns über die Werbeschiene der Bio TM -Branche. Der erfahrene Gemüsegroßproduzent war vom zielgruppenorientierten Marketing der Handelskonzerne offenbar ebenso wenig begeistert wie ich. »Erst neulich war wieder so ein Filmteam bei uns, um einen Werbespot zu drehen«, erzählte er mir in leicht aufgebrachtem Ton. »Die waren ganz gierig darauf, einen Platz zu
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