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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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harmonischen Landwirtschaft wecken, die tief in uns schlummern, bekam ich erläutert. Auch das sei eine emotionale Angelegenheit und man müsse es verstehen, die richtigen Türen und Tore in die Gefühlswelt der Menschen zu öffnen.
    »Wir wollen den Eindruck des Retro-Bauerntums erwecken. Mit Monokulturen und industriellen Mähdreschern spricht man niemanden an.« Wir blickten einander für einen kurzen Moment wortlos an. Dann stimmten wir darin überein, dass industrielle Mähdrescher und Monokulturen die Realität seien. »Aber unser Auftrag ist es, die Menschen mit positiven Reizen anzusprechen«, erklärte mir der Werbefachmann. Schön und gut, aber ob die Botschaften der Werbung dann nicht etwas zu weit von der Realität entfernt lägen, fragte ich. In der Publikumswerbung stehe nicht die Information im Vordergrund, wurde mir entgegengehalten. »Wir müssen die Leute irgendwie einfangen und uns gegenüber der Konkurrenz durchsetzen. Wenn es uns gelungen ist, die Menschen in die Supermärkte unseres Auftraggebers zu bringen, haben wir unseren Job gut gemacht.« Ob aber die Gefahren von Missverständnissen und Desinformation durch derart verzerrte Darstellungen wie in der Werbung nicht zu hoch seien, bohrte ich nach. »Noch einmal: Information ist nicht die Aufgabe der Marketing-Agenturen«, wiederholte sich der Fachmann. Wessen Aufgabe sie denn sei, fragte ich unwissend. Für sachliche Information seien die jeweiligen Unternehmen selbst zuständig, bekam ich zu hören, zum Beispiel im Rahmen von Internetauftritten oder über andere Medien wie etwa Zeitungen. Geht diese Rechnung aber wirklich auf? Stellen die Supermarktkonzerne für die Kundinnen und Kunden ihrer Bio-Produktlinien tatsächlich neutrale Information im Internet und über andere Kommunikationsmedien zur Verfügung? Ich werde noch auf diese Frage zurückkommen.
Bio TM – das Geschäft mit den Emotionen
    Wenn Sie eine trendige Marken-Jean erwerben, wird Ihnen vor allem ein cooles Image verkauft. Die Werbung gibt sich Mühe, dieses zu erzeugen und am Leben zu erhalten. Autos werden in erster Linie über das Gefühl der Freiheit, der Lässigkeit oder des ultimativen Fahrerlebnisses vermarktet. Cola ist ebenfalls »cool«, genauso wie medial gepushte Schokoriegel, die in Wirklichkeit nur aus minderwertiger Schokolade bestehen und in industriellen Anlagen halbherzig zusammengebaut werden. Hauptsache, das Image stimmt. Und darum kümmert sich die Werbung. Auf dem Bio-Massenmarkt ist es nicht anders. Mit Bio vermarkten Großkonzerne vielmehr ein Lebensgefühl als ein Produkt. Bio ist gut. Bio ist ökologisch und nachhaltig. Bio ist fair, sozial, ethisch korrekt – ganz egal, in welchem Multisupermarkt Sie es kaufen. Die Werbeagenturen der konventionellen Lebensmittelkonzerne haben leichtes Spiel, das idealisierte und mystifizierte Bio-Image für ihre Bio-Produktlinien zu nutzen. Sie schlagen gebetsmühlenartig in die bereits vorhandenen Kerben in unseren Köpfen, in denen Bio noch immer mit einer idealistischen Bewegung verbunden ist. Das Retro-Bauerntum aus der
Ja!Natürlich
-Werbung, die urtümlichen Naturaufnahmen bei
Zurück zum Ursprung
, die liebliche Bauernhofidylle aus der Werbung von
Natur*pur
– sie alle sprechen unsere tiefsten Sehnsüchte nach einer heilen, naturnahen und fairen Produktion unserer Nahrungsmittel an. Dass der Chef einer Werbeagentur davon überzeugt ist, mit einem sprechenden Schweinchen den menschlichen Wunsch zu stillen, sich mit Tieren unterhalten zu können, ist dabei nur ein skurriles Detail im Dschungel des Ausverkaufs der Emotionen. Viel entscheidender ist etwas anderes: Wir leben in einer Gesellschaft der Naturentfremdung. Die Zwänge des Konsumkapitalismus haben dazu geführt, dass viele Menschen von Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion abgeschnitten sind und wenig Ahnung davon haben, was sich hinter den Kulissen abspielt. Die meisten von uns haben den Bezug zur wichtigsten Wertschöpfung unserer Gesellschaft verloren. Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung sind die fundamentalsten Tätigkeiten jeder menschlichen Gemeinschaft. Die Notwendigkeit, Nahrung aufzunehmen, wird uns bis an den letzten Tag unseres Lebens, ja sogar bis ans Ende unserer Spezies begleiten. Egal wie weit Technisierung, Industrialisierung und Zentralisierung fortschreiten: Indem wir essen, werden wir immer wieder an unsere Herkunft erinnert. Wir sind Naturwesen, die ohne Natur nicht überleben können. Im Konsumkapitalismus, der uns gar

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