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Der große Bio-Schmaeh

Titel: Der große Bio-Schmaeh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens G Arvay
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völlig andere Realität als in der Werbung. Die Realität ist kein Bauernhof, sondern eine Fabrik.« 17
    Die Parallelen zum Marketing österreichischer Lebensmittelkonzerne sind nicht zu leugnen, auch dann nicht, wenn es um die biologische Landwirtschaft geht. Die Realität der Bio-Produktion weicht von den medial verbreiteten Eigendarstellungen der Konzernmarken ab. Sicher: Werbeversprechen wie »unberührte Natur«, »traditionelles Handwerk« oder »überglückliche Hühner« klingen äußerst attraktiv und sind mindestens ebenso lukrativ. Aber sollen Managerinnen und Manager der Lebensmittelbranche deswegen einfach darauf vergessen, dass sie noch immer reale Produkte und nicht bloß ein gepflegtes Image verkaufen?
    Früher dachte ich, in der Bio-Branche gehe es noch aufrichtiger zu als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Immerhin ist »Bio« in unseren Köpfen mit Idealismus assoziiert und die Vertreterinnen und Vertreter der Ökolandbaubewegung richteten sich schon immer entschieden gegen die Konzernpolitik der konventionellen Goliaths. Wenn wir vom ökologischen Landbau sprechen, denken wir noch immer an die Agrarrebellen, die alles anders machen wollten. Eben an echte Pioniere. Wer Bio-Produkte vermarktet, so dachte ich, müsse die Werte der Bio-Bewegung teilen. Fairness, auch gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten, gehört zu diesen. »Information statt Täuschung« ist eine wichtige Grundforderung der Ökolandbaubewegung. Doch was Eric Schlosser und Michael Pollan in ihrem Film »Food, Inc.« über die amerikanische Lebensmittelindustrie sagen, stellte sich, mitten in Österreich, auch für den Bio-Massenmarkt als zutreffend heraus: »[…] die Fantasie der ländlichen Idylle! Die Industrie will nicht, dass wir wissen, wo unsere Lebensmittel herkommen. Wenn wir die Produkte aus dem Supermarkt zurückverfolgen, finden wir eine völlig andere Realität, als in der Werbung. Die Realität ist kein Bauernhof, sondern eine Fabrik.«
Besuch in einer Bio TM -Werbeschmiede
    »Ökologische Lebensmittelproduktion war früher ein Programm für eine Minderheit«, erklärte mir einer der drei Chefs einer Marketing-Agentur, die im Auftrag des Rewe-Konzerns für
Ja!Natürlich
Werbung gestaltet. Bio sei etwas für Asketen gewesen und alles habe sich ausschließlich um Gesundheit und Natürlichkeit gedreht. »Die Bio-Geschäfte damals waren relativ klein und hatten nur schrumpelige Kartoffeln und Äpfel«, meinte der Werbeboss. Die Vermarktung sei direkt von den Landwirten zu den Konsumentinnen und Konsumenten gelaufen oder über regionale Bauern- und Bio-Läden. Dann seien er und seinesgleichen gekommen und hätten das geändert. Der schick gestylte Manager nahm seine runde schwarze Edelbrille ab und lehnte sich zurück. Er streifte sein halblanges Haar hinter die Ohren. Wir griffen beinahe synchron zu unseren Porzellantassen, in denen uns von einer der Sekretärinnen auf einem silbernen Servierwagen Kaffee kredenzt worden war. Ich blickte durch die Glasschiebetüre hinaus in den Empfangsbereich. Das Altbauhaus war äußerst nobel renoviert. Eine Treppe mit goldenem Geländer führte hinunter zur Rezeption. »Heute ist Bio ein echter Megatrend«, fuhr der Marketingboss fort. »Und die großen Konzerne sind jetzt voll im Geschäft.« Verzichten brauche niemand mehr auf irgendetwas. Es gäbe so ziemlich alles in Bio-Version: Tiefkühlpizza und Fertiggerichte, Chips, Chicken Nuggets, Konservendosen. »Es ist uns gelungen, Bio zu einem Lifestyle zu machen und der Markt boomt.« Für die Werbung von
Ja!Natürlich
habe sich sein Team etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Das sprechende Schweinchen solle zweierlei verkörpern. Es stehe einerseits für die Natur und das Tierreich und stille unsere Sehnsucht nach dem Natürlichen. Andererseits erfülle es einen urtümlichen Wunsch des Menschen, nämlich mit Tieren sprechen zu können. Dadurch verschaffe man sich Zugang zur Emotionswelt der Konsumentinnen und Konsumenten. »Wir aktivieren positive Grundreize. Wir haben herausgefunden, dass unser
Ja!Natürlich
-Schweinchen bei allen Altersgruppen gut ankommt. Es geht uns um Aufmerksamkeit und deswegen haben wir uns für das emotionale Marketing entschieden«, wurde mir erklärt. Dies sei auch der Grund, weshalb die Werbespots für
Ja!Natürlich
in einer idealisierten Bauernwelt spielen und nicht die wirkliche Situation widerspiegeln. Durch diese Fernsehidylle könne man Kindheitserinnerungen und Vorstellungen von einer

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