Der große Bio-Schmaeh
finden, von dem aus unsere großflächigen Gewächshausanlagen nicht zu sehen waren.« Sie hätten darauf bestanden, so ließ er mich wissen, kein Stück Plastikfolie zu zeigen, und die Kameras seien vom Regisseur ganz nach diesem Vorsatz positioniert worden. Sogar dann, als Aufnahmen direkt in den Gewächshäusern gemacht wurden, habe man sich aufs Äußerste bemüht, die Objektive stets von dem Plastik abzuwenden und stattdessen ins dichte Grün der Pflanzen zu tauchen. Ich verstand die Aufregung des Mannes, und dann ließ er die Katze aus dem Sack: »Die Konsumenten werden für dumm gehalten«, erboste er sich, »Unter freiem Himmel werden Bio-Tomaten höchstens noch für den Bauernmarkt gezogen.« Ich verstand nicht, weshalb man den Konsumentinnen und Konsumenten diese Wahrheit nicht zumuten wolle. »Es geht ums Image. Von Konzernen können Sie kein Gewissen erwarten«, war die ernüchternde Antwort, »weil für die zählt als Allererstes noch immer die Gewinnmaximierung.« Ich schwieg. »Aber Hauptsache, sie können sich irgendwie als Retter der Umwelt darstellen«, fügte der Insider noch hinzu. Und er verstehe überhaupt nicht, weshalb in der Werbung alles so hochgespielt werde: »Wir tun das Normalste der Welt, aber die Leute glauben, dass wir etwas ganz Besonderes machen, weil wir das auf so eine hohe Stufe heben müssen … hunderttausend Pickerl und Siegel auf den Packungen. Die Handelsmarken wollen daraus ein Produkt machen, das praktisch nur mehr für eine gehobene Klientel ist.« Ich dachte an die DINKS, hörte aber weiterhin aufmerksam zu: »Es ist nichts Exotisches, was wir hier machen. Ich bin dagegen, das Ganze in den Bereich des Exotischen zu heben. Es gibt kleinere Bio-Höfe, an denen noch viel ökologischer gewirtschaftet wird, als bei uns. Aber das ist überhaupt nicht präsent in der Bevölkerung.« Ich schwieg noch immer, während ich pausenlos und Wort für Wort mitschrieb. Und es kam noch mehr: »Wenn ich sehe, dass ich hier nur noch Cash machen soll … das kann es einfach nicht sein!« Ich zog innerlich den Hut vor diesem Mann und seinen offenen Worten. Ich ging dann aus der großen Verpackungshalle, in der Frauen aus Ungarn, Rumänien und der Slowakei tagtäglich an den Akkord-Packmaschinen standen. Ich sah die Gewächshäuser, die fast alle nur Tomaten beherbergten, und ich sah die unzähligen osteuropäischen Arbeitskräfte, die darin arbeiteten – insgesamt waren es siebzig. Aus einem der Gewächshäuser drang lautes Geschrei. Schimpfwörter fielen. Ein Helfer aus Ungarn arbeitete nicht schnell genug, jetzt musste er die Konsequenzen über sich ergehen lassen. Es herrschte sengende Hitze, fast unerträglich. In den Gewächshäusern war es noch unerträglicher. Ich zählte und ich rechnete. Hätte man alle Gewächshäuser dieses Betriebes aneinandergereiht, wäre man auf eine Strecke von fast fünf Kilometern gekommen. Als ich an der endlosen Plastikfront vorbei und zurück nach Hause fuhr, fielen mir die idyllischen Szenen aus der TV-Werbung der Supermärkte wieder ein. Ich dachte an einen Fernsehspot, in dem ein bekannter Vertreter der Bio TM -Branche mit seinen eigenen Händen einen hölzernen Leiterwagen, gefüllt mit buntem Gemüse, einen Feldweg entlangzieht. »Inszenieren die dieses ganze Theater wirklich nur für die DINKS?«, fragte ich mich. Nein, denn außer den DINKS gibt es da auch noch die LOHAS. Hinter dieser Abkürzung steht eine Zielgruppe, die den »Lifestyle Of Health And Sustainability« (Lebensstil der Gesundheit und Nachhaltigkeit) praktiziert. Wer Bio-Konsumentin oder Bio-Konsument ist und natürliche Nahrungsmittel oder Nachhaltigkeit beim Einkaufen für wichtig hält, würde von einigen Marketingmanagern in die Schublade der LOHAS eingeordnet werden.
Entscheidend ist, wer spricht
Der Imageaufbau von Marken wird beinahe immer durch eine strategisch gewählte Kommunikatorin oder einen Kommunikator unterstützt. Sie oder er muss sich durch spezifische Eigenschaften besonders dazu eignen, gerade die eine Botschaft, nämlich die der jeweiligen Marke, zu verkörpern. Es kann sich um eine Person handeln, die den Ruf hat, besonders gebildet oder etwa sogar Spezialistin oder Spezialist für etwas zu sein. Solchen Menschen wird in der Regel von Haus aus mehr Vertrauen entgegengebracht und man glaubt ihnen eher. Auch charismatische oder einfach nur in der Öffentlichkeit bekannte Menschen werden häufig als Kommunikatorinnen und Kommunikatoren engagiert. Manchmal sind es
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